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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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Gründe trennen mich von ihnen. Mir fehlen Offenheit und Streit, mir fehlt die Wahrheit , du kennst das alles, ich muß dir nichts erklären. Erinnerst du dich? Auch darüber haben wir im Café gesprochen, über einen tiefen und wertvollen Inhalt, es ging um Jonas. Einer richtigen Idee soll man folgen! Wenn man nun meint, das sei ganz und gar unmöglich – so nenne ich das Verzweiflung. Und deshalb bin ich noch nicht verzweifelt. Weil ich meine Idee noch nicht aufgeben will. Vielleicht bin ich auch nur halsstarrig. Ich verbeiße mich gern, auch das weißt du. In dich habe ich mich elendig verbissen! Um so fester habe ich mich in dich verbissen, je weniger ich dich geliebt habe. Aber ich will nicht abschweifen, sondern mich und dich fragen, was da ist, wohin du gegangen bist. Wenn das bessere Leben für einen nur aus irgendwelchen Dingen besteht, ist da natürlich viel, und man ist richtig dort. Aber gerade du! Wenn du eine Idee hast, eigentlich, dann bist du doch rückwärts geflüchtet, aus der Idee heraus. Gerade du! Du bist in Etwas gegangen, das schon gewesen ist. Von da, wo du jetzt bist, kann nichts mehr kommen. Dafür bedaure ich dich.«
    »Du mußt mich nicht bedauern. Man sagt das so leicht dahin: Ich bedaure dich. Ich könnte genauso sagen, ich bedaure dich, denn du sitzt auf dem hohen Roß des Ideals und wirst unweigerlich stürzen. Erwähnte ich das nicht vorhin schon? Der Ernsthafte und ideal Denkende gelangt nicht in die Leichtigkeit der anderen hinein. Und nicht in ihre Trivialität. Ein wenig Trivialität, die wäre wirklich hilfreich für dich!«
    »Dann sollten wir uns zusammentun?«
    Einen Augenblick stand Karin Werth der Mund offen. »Das hast du eben nicht gesagt! Du hast nicht gesagt, daß ich trivial bin – du Schuft.«
    Sie erhob theatralisch die Hand gegen ihn, und weil die Hand so nahe vor seinem Gesicht hing, deutete Matti einen Kuß an, ein Wischen nahe den Salzkristallen ihres umwerfenden Schweißes war das, nicht mehr, da sagte Karin Werth schnell: »Außerdem sind wir doch schon zusammengetan. Wir machen das Verschlossene Kind , wenn ich mich recht erinnere. Wollen wir endlich?«
    *
    Sie gingen in die Wohnung, die, im Gegensatz zu Karin Werths Ankündigung, auf den ersten Blick sauber und aufgeräumt wirkte. In der Küche lag kaum etwas herum. Im Flur standen die Schuhe sogar Naht an Naht. Nachdem Karin Werth aber die Tür zum Arbeitszimmer geöffnet hatte, sah Matti, sie hatte doch nicht übertrieben: Vor ihm lag ein mitten im Hochschäumen erstarrtes Meer aus teils aufgeschlagenen und teils geschlossenen Büchern sowie aus einzelnen und zusammengehefteten Blättern. Es erstreckte sich bis zur Türschwelle und ließ nur an wenigen Stellen erkennen, daß es auf einem ehrwürdigen Perserteppich ruhte. Die höchsten Papierstapel drängten und verkeilten sich allerdings auf dem Sofa; dort, auf einem jener Türme, thronte auch ein handgroßer Elefant aus Gußeisen, in dessen nach oben zeigendem Rüssel ein Kerzenstummel steckte. Kaum hatte Matti, notgedrungen mit mächtigem Ausfallschritt, den Raum betreten, stürzte der Elefant herunter und riß alles, was er beschwert hatte, mit sich. Eine Staubwolke flog auf. Matti kämpfte sich zu dem nicht weniger belegten Schreibtisch vor, auf dem an zentraler Stelle, als schwarzer und vergleichsweise flacher Kern inmitten aufragender weißer Schichten, eine alte Adler-Maschine stand. Darin eingespannt fand er ein mit Wasserzeichen versehenenes Blatt, auf das der Prager Dichter getippt hatte: »Ich wünsche meinen liebenswürdigen Gästen einen angenehmen und dienlichen Aufenthalt. Fühlen Sie sich wie im eigenen Hause und nutzen Sie vor allem die Getränkevorräte in der Speisekammer. Sie beschämten mich ernsthaft, ließen Sie sie unangetastet. Außerdem erschiene es mir bizarr, vergeudeten Sie am Ende Ihre Zeit mit irgendwelchen Reinigungen. Wenn Sie nur dieses Zimmer möglichst so verlassen könnten, wie Sie es jetzt gerade vorfinden? Meine bescheidene Arbeit in der mir liebgewordenen Ordnung fortsetzen zu dürfen, wäre mir Dank und Freude genug.«
    »Was für ein Schelm«, lachte Matti. »Tut unterwürfig und stellt in Wahrheit knallharte Forderungen.«
    »Ich wette, er merkt schon, wenn ein einziges Blatt nicht mehr an der richtigen Stelle liegt. Aber trotzdem müssen wir das hier ja wohl freiräumen, wenn wir arbeiten wollen, zumindest Schreibtisch und Sofa.«
    Sie beschlossen, die entsprechenden Stapel exakt zu numerieren und vorsichtig im

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