Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
Vom Netzwerk:
Karin Werth hörte auf und erklärte, so vieles wolle sie wissen, wie er in Berlin wohne zum Beispiel, annehmbar?
    Er fände es annehmbar, ja. Allerdings berichtete er ihr nicht, durch wen er es so annehmbar fände, und sie fragte auch nicht danach, so wie er sie nicht fragte, ob es in ihrem Leben jemanden gäbe, sie saßen wie um eine Feuerstelle, die außen verkohlt war und innen noch glühte, das Äußere konnten sie locker mit den Füßen anstoßen, aber das Innere nicht.
    Die Gerichte kamen, und Karin Werth sagte, »deine Knedletschki«. Während des Essens erzählte sie von ihrem Verlag und erkundigte sich nach seinem Kahnfahren, und Matti erinnerte sich daran, daß vor gar nicht langer Zeit schon Catherine ihn danach gefragt hatte, er dachte an seine Geschichte vom Schiffshebewerk, mit der er sie liebkost hatte, und wenn er auch nicht recht wußte, wie das alles hier mit Karin Werth enden würde, so entschied er doch schnell, vom Schiffshebewerk keinesfalls etwas zu erwähnen, denn dies zu tun, hieße ja, Catherine nachträglich die einmal geschenkten Worte zu stehlen, und so was tat man nun wirklich nicht.
    »Was soll ich dir erzählen«, murmelte er, »ich hinterlasse mit dem Kahn ein Band gurgelnden Wassers, immer das gleiche, und immer ein anderes; ich lebe auf den Schleifen, die ich ziehe, das ist meine Arbeit.«
    »Monotonie«, sagte Karin Werth, und Matti erwiderte, »nicht nur«, und erzählte ihr von Peter Schott und dem abgerichteten Kormoran, und sie lachte und sagte, was für eine zirzensische Nummer, apropos, ob seine kleine Schwester eigentlich noch beim Zirkus sei, und vor allem, ob sie sich ihre Ursprünglichkeit habe bewahren können in dieser zähen Zeit?
    Auf einmal stand, ohne daß sie ihn gerufen hätten, der Wirt vor ihnen. In der Hand hielt er ein Tablett mit zwei gefüllten Schnapsgläsern. Zunächst schien ihnen, als stütze er seinen Arm auf seinen Bauch, aber das war doch nicht der Fall. In seinem Singsang sagte er: »Ich wünsche Ihnen, daß Sie schnell wieder zusammenkommen, Sie sind gut zueinander, trinken Sie, das ist Becherovka, der wird Ihnen wohltun.«
    Sie starrten den Wirt an.
    Entschuldigend sang er: »Ich höre, wie Sie sich unterhalten, ich kann meine Ohren nicht … zuklappen hinter meinem Tresen.«
    »Aber woher wissen Sie, daß wir einmal zusammen waren?« fragte Matti.
    »Sie sind vertraut miteinander, daher, aber nun sind Sie eine Weile getrennt, denn die Dame ist schon in Westdeutschland, und Sie, Herr, warten darauf, ihr nachreisen zu dürfen. Sie haben einen Ausreißantrag gestellt, man kriegt einen Blick dafür, Prag ist voll mit ostdeutschen Paaren, wie Sie eins sind. Die meisten haben Angst, einander fremd zu werden, und überanstrengen sich, aber Sie nicht, darum sagte ich, Sie sind gut zueinander, sie machen es richtig. Also nehmen Sie schon, trinken Sie.«
    Er hielt ihnen das Tablett vor die Nase. Sie griffen nach den Gläsern und hielten sie in seine Richtung, aber sie führten sie dann nicht zum Mund und warfen sich auch keine verschwörerischen Blicke zu wegen des nun abdrehenden Wirtes, sondern flackernde, fast gehetzte. Der herzensgute Mann hatte sie unter Zwang gesetzt, jetzt endlich ganz offen über sich zu reden.
    Matti sagte, »was der sich nur denkt«, und Karin Werth fügte vorsichtig an, »ist vielleicht nur das, was wir uns nicht zu denken trauen«.
    Wie sie das meine, fragte Matti, obwohl er ahnte, wie sie es meinte, den ganzen Nachmittag war sie doch schon auf ihn zugeschwommen, mehr sie zu ihm als er zu ihr, er war ja nicht blind, er hatte es bemerkt. War er, gerade weil er es bemerkt hatte, selber nicht immer zurückhaltender geworden?
    »Ich meine, es könnte genausogut sein, daß er recht hätte«, sagte Karin Werth.
    Die Freude verschloß Matti den Mund, und da er schwieg, blieb ihr nichts, als weiterzureden: »Ich meine, es ist vielleicht gar nicht aus der Luft gegriffen, daß wir beide …«
    Sie stockte, und Matti rief: »Was?« Er schrie es geradezu, er war so begierig und so dreist, sie zu zwingen, daß sie es ausspuckte.
    Sie schüttelte verzweifelt den Kopf, und er fragte noch einmal, leise diesmal, drohend, »was, sags’s mir«, da erklärte sie, hell und dumpf, demütig und trotzig in einem: »Herrgott, ich könnte mit dir leben – das meine ich.«
    Eine Hitzewelle durchfuhr Matti. Die ganze Zeit über, da er mit Karin Werth zusammengewesen war, war ihm heiß gewesen, aber nie so heiß wie jetzt; doch gleich darauf sank die

Weitere Kostenlose Bücher