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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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Temperatur, sank rapide hin zu einer kühlen Ausgeglichenheit, er war nicht glücklich, das gehört zu haben, er war einfach nur zufrieden.
    »Du bist verrückt«, sagte er ohne Betonung, und sie begriff, daß er ihr nicht folgte, und sagte ebenso ohne Betonung: »Aber du bist nicht verrückt.«
    »Nein.«
    »Du würdest ja auch niemals ausreisen, das sagtest du ja.«
    »Richtig.« Er fügte, als genüge das nicht, hinzu: »Das ist aber nicht der Punkt.«
    Sie nickte mehrmals und entschuldigte sich dann plötzlich, ihn bedrängt zu haben. Er möge das alles vergessen, und er möge zahlen, sie wolle zurück ins Hotel.
    Matti kippte endlich seinen Becherovka, und weil sie ihren nicht anrührte, fragte er sie, ob sie denn nicht wolle. Sie schob den Schnaps mit hochkant gehaltener Hand zu ihm hin, und er kippte auch den.
    Wortlos gingen sie, Karin Werth mit verschränkten Armen, Matti mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen. Er hatte einen bitteren Geschmack im Mund, nicht vom Bier, das war doch Staropramen gewesen, das beste Bier der Welt, die er kannte, und warum nicht auch der Welt, die er nicht kannte. Stockend brachte er hervor, er habe sie nicht kränken wollen.
    »Du lügst«, erwiderte Karin Werth, »wir haben den Tag der Offenheit, und ausgerechnet du lügst.«
    Sie schritt schneller aus mit ihren verschränkten Armen, sie ließ ihn kurzzeitig stehen wie schon am Morgen einmal, und er dachte, was ist das nur für ein Tag heute, ständig ändert sich die Lage und ändern sich die Gefühle, er hastete ihr hinterher, riß sie am Arm und rief voller Selbstanklage: »Ich lüge, ja, ich lüge, ganz richtig.«
    Sie machte sich los und stieß hervor, »du bist bösartig«, sie waren jetzt kurz vor dem Hotel, in dem in einigen Zimmern schon Licht brannte, aber noch nicht in vielen.
    Karin Werth steuerte auf den Eingang zu, Matti hingegen drängte sie ab: »Zum Fluß, los! Wenn ich schon bösartig bin, will ich, daß du noch nicht verschwindest, du läßt mich nicht stehen mit dem Satz, das tust du nicht!«
    Bis sie an der Kaimauer waren, beruhigten sie sich, doch nur ein wenig, Karin Werth schlug mit ihrer kleinen flachen Hand auf die fast meterbreite Mauer, wodurch die Hand noch kleiner erschien, und rief zum Fluß hin: »Ich wollte es nicht wissen, ich habe es verdrängt, dabei steht alles da in deinem Buch geschrieben.«
    Nun log er aber nicht, wenn er sagte, sie solle sich klar äußern, sie habe die verdammte Eigenschaft, sich immer nur verständlich zu äußern, wenn es um irgendwelche Texte gehe.
    So, brauste sie gleich wieder auf, dann sei ihm wohl schon entfallen, was sie ihm eben in der Kneipe gestanden habe, was ganz Klares, was töricht Klares, oder nicht, oh, sie würde es auch gern vergessen, denn er sei genauso böswillig, wie er geschrieben habe, er verdiene das alles gar nicht, was sie ihm gegeben und gesagt habe.
    Jetzt, da sie ihm ihre Zuwendung entzogen hatte, begann er gleich wieder, diese Zuwendung zu vermissen, er wußte gar nicht mehr, was unten und was oben war, er meinte, die unselige Vergangenheit stülpe sich ihm über, und stieß wie unter Atemnot hervor, »ich liebe dich«.
    Nach einer kurzen Pause wiederholte er das, aber Karin Werth schüttelte den Kopf, völlig ruhig war sie auf einmal, sie sagte: »Laß das doch, du widersprichst dir. Du hättest dich um so mehr in mich verbissen, je weniger du mich geliebt hättest, das sind vor ein paar Stunden deine Worte gewesen. Wahre Worte! Und dann wolltest du mich büßen lassen für jenes lange Verbeißen, das war deine Bösartigkeit, gib es zu. Du wolltest alles umdrehen, du wolltest deinen Fuß auf das erlegte Tier setzen, nur darum ging es dir. Auch jetzt liebst du mich nicht. Du reagierst nur auf meine Zuckungen, eine ziemlich unangenehme Situation für uns beide, finde ich.«
    »Du hast recht, aber nicht in allem. Es war keine Bösartigkeit von Anfang an. Ich bin in sie hineingetrieben. Auf einmal war ich drin in ihr, und es war sogar schön, ich hatte endlich Macht über dich.«
    »Für Karandasch war es auch schön, Antonio Gewalt anzutun …«
    »Das meintest du also, das war es, was du gelesen hattest und wovon du nichts wissen wolltest.«
    »Eine unangenehme Wahrheit, ich mochte sie dir nicht zuordnen, obwohl doch klar war, jene plötzlichen Ausbrüche können nur von jemandem geschildert werden, der auch selber zu solchen Entladungen fähig ist. Du warst ein Engel in meinen halb blinden Augen … aber wer ist schon ein

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