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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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Länge ziehen, hier sitzen genügend Kollegen, die zurück auf ihre Schiffe wollen!«
    In der Tat murmelten einige beifällig, aber andere riefen, man möge Werchow die Gelegenheit geben, sich abschließend zu erklären, vielleicht wolle er ja auch alles zugeben. Da erteilte Spahner ihm widerstrebend das Wort.
    Matti stand abermals auf. Er wandte sich nicht dem Direktor und dem Eiferer daneben zu, sondern den Männern im Saal. Er holte tief Luft und bekannte: »Richtig, der Vorgang an sich ist wahr – aber ungeheuerlich ist er deshalb noch lange nicht.«
    Eine Lawine teils empörter und teils entsetzter Rufe rollte über ihn hinweg. Er sah auch das entgeisterte Gesicht Peter Schotts. Und Bröslein brüllte: »Auch noch verharmlosen! Jetzt auch noch so reden wie ein Nazi!«
    Matti blieb aber stehen wie sein eigenes Denkmal. Langsam ebbte der Lärm ab. Niemand sagte noch ein Wort. Die meisten waren begierig zu hören, wie er sich weiter um Kopf und Kragen reden würde.
    »Ungeheuerlich«, setzte Matti fort, »ist der Vorgang deshalb nicht, weil er auf einem Naturgesetz beruht. Wird man nämlich von der Sonne geblendet, schützt man sich davor, entweder indem man sich eine dunkle Brille oder eine Schirmmütze aufsetzt, oder indem man seine Hand zu Hilfe nimmt. Wir reden vom Dritten Siebenten Siebenundachtzig? Ich habe ein bißchen gebraucht, um in den Tag zurückzufinden, man möge mir das verzeihen, er wurde mir zu plötzlich vorgehalten. Aber jetzt sehe ich alles wieder vor mir. Ein heißer Tag war das ursprünglich, doch gegen Mittag war Wind aufgekommen. Wolken zogen vorüber. Nun legen wir an, unter Wolken, wie gesagt, zwischen denen aber plötzlich die Sonne hervorbricht. Sie gleißt regelrecht, ihr kennt das, die Strahlen sind ganz bündelig, wenn sie zwischen den Wolken durchschießen, wie Spieße sind die. Gut, also: Sie fallen direkt auf den Mann, der am Ufer als Springer steht. Wer ist das? Es interessiert mich. Es ist mir nie ganz unwichtig, wer mein Schiff übernimmt. Nach der Sonnenbrille zu greifen, die drei oder vier Schritte hinter mir liegt, dazu fehlt mir die Zeit, denn noch einmal, ich steuere. Und die Hand leicht abgeknickt an die Stirn zu legen, wie man’s normalerweise tut, genügt in dem Fall nicht. Die Hand, waagerecht vor den Augen, deckt nämlich die beinahe senkrecht vom Himmel fallenden gewaltigen Strahlen nicht ab, wir erinnern uns, es ist 14 Uhr, der Planet steht fast noch im Zenit. Ich muß meine Hand also hochkant vor sie halten. Und des weiteren, des weiteren muß ich die Hand natürlich von meinen Augen wegführen, denn hielte ich sie nahe vor die Augen, versperrte ich mir ja die Sicht auf alles: auf das Ufer, dem ich entgegensteuere, und auf den Mann, den ich erkennen will. Macht ruhig selber die Probe! Hier oben, die lange Leuchte, die ihr verdecken wollt, weil sie so unangenehm flackert, sie ist nun wahrlich nicht mit den beschriebenen Sonnenstrahlen vergleichbar, geradezu mickrig ist sie, und doch gilt das gleiche Prinzip: Je weiter ihr den Arm in Richtung des Lichts wegstreckt, um so mehr erkennt ihr noch von den Leuten und der Umgebung hier, richtig?«
    Man vollführte die von Matti erklärten Bewegungen, man grüßte, ohne es zu merken, auf faschistische Art in Richtung Präsidium, man murmelte hernach bestätigend.
    Matti war aber noch nicht am Ende seiner Rede angelangt. »Ich möchte, da ich gerade dabei bin, vorbeugend auch gleich auf einige mögliche und vollkommen logische Nachfragen antworten. Bin ich Rechts- oder Linkshänder? Rechtshänder. Warum nur habe ich dann meine rechte Hand vom Steuer genommen und nicht meine linke? Nun, überprüft euch wieder selber, die meisten von euch werden ja ebenfalls Rechtshänder sein. Überlegt, welche Hand ihr im Auto im Zweifelsfall vom Lenkrad nehmt. Immer die rechte, nicht wahr? Natürlich, werdet ihr einwenden, mit der schaltet man doch. Auch das Radio, sofern eins eingebaut ist, befindet sich zur Rechten. Und das ist es ja eben, wir alle sind beim Steuern, ich rede vom Steuern, gewohnt, mit der Rechten zu reagieren. Ein Instinkt. Wir bringen sie zum Einsatz, wenn plötzlich was zu erledigen ist. Ja, und deshalb schützte auch ich mich mit ihr vor den jäh hervorbrechenden Sonnenstrahlen – falls jemand von euch mich das hatte fragen wollen.«
    *
    Im Saal nickte man. Alles, was man soeben gehört hatte, war völlig nachvollziehbar. Aber an der Stirnseite räusperte sich Spahner. Er war ja von Matti wie nebenbei ins Abseits

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