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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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Wichtigeres zu tun ganz offensichtlich, er war damit beschäftigt, eine Plastetüte auf den Tisch zu legen und dieser etwas zu entnehmen. Das er sich nun vor die Brust hielt. Man sah, wenn man sich nahe genug bei ihm befand, eine dunkle Ziegelsteinmauer.
    Peter Schott entfuhr ein leises »Wuoah«. Die übrigen Männer schauten ratlos, die einen, weil sie keine Ahnung hatten, was Langhammer ihnen da präsentierte, die anderen, weil sie schlicht zu weit weg von ihm saßen.
    Seltsamerweise legte Langhammer das Buch wieder auf den Tisch und steckte es sogar zurück in die Tüte. Das erhöhte nur die Spannung. Worauf lief dieser Auftritt des Alten hinaus?
    »Dies ist eine Farce«, sagte er ruhig und bestimmt. »Aber für eine Farce dauert sie schon viel zu lange. Darum Schluß jetzt. Was hier aufgeführt wird, beleidigt mich. Das meine ich wörtlich. Ich fühle mich von Ihnen, Spahner, und von dir, Lingsohr, beleidigt. Ihr erzählt hier die absurdesten Dinge, alles, was ich von euch gehört habe, ist an den Haaren herbeigezogen. Glaubt ihr, ich sei dumm? Ihr scheint es zu glauben, sonst würdet ihr mir ja nicht diese Dinge erzählen! Mich stört das sehr. Daß ihr mir nicht ein Fünkchen Verstand zutraut. Fangen wir mal an, logisch zu werden. Wenn nämlich euer Märchen vom bösen Gruß wahr wäre, was ergäbe sich dann zwangsläufig? Daß dieses Schauspiel nicht hier stattfände. Das Zeigen des Hitlergrußes ist, wenn ich mich nicht irre, ein handfester Straftatbestand. Ihr müßtet Matti Werchow sofort anzeigen, dann würde wegen staatsfeindlicher Hetze polizeilich ermittelt werden. Habt ihr das getan?«
    Spahner und Lingsohr schwiegen, sie waren jetzt mächtig in Verlegenheit: Gaben sie zu, daß sie es nicht getan hatten, würde Langhammer, der ja auf einmal gar keine Zurückhaltung mehr zu kennen schien, sie wohl immer weiter bloßstellen. Erklärten sie aber fälschlicherweise, sie hätten Matti angezeigt, machten sie alles nur noch schlimmer und entfachten womöglich einen Sturm der Entrüstung im Saal.
    »Es war doch eine einfache Frage, die ich gerade gestellt habe: Ist Matti Werchow von einem der hier Anwesenden wegen staatsfeindlicher Hetze angezeigt worden?«
    Spahner schüttelte den Kopf. Dieser glänzte bis hoch zum Haarwall vor Schweiß, obwohl unmittelbar hinter seinem Rücken die Klimaanlage in einem fort trockene Luft aufwirbelte.
    »Aber warum ist das nicht erfolgt? Und warum – werden Sie auch mich nicht anzeigen? Keine Angst, ich komme jetzt nicht mit dem Hitlergruß. Ich erkläre Ihnen aber, daß sich hier in dieser Tüte ein verbotenes Buch befindet. Schon als dessen Besitzer mache ich mich strafbar. Ich habe es vorhin jedoch sogar extra noch hochgezeigt, nicht? Sozusagen habe ich damit und dafür demonstriert, um so schlimmer. Im übrigen ist das Buch natürlich von jemandem geschrieben worden, und dieser Jemand ist Matti Werchow. Keine Überraschung, nicht? Genug wurde vor dieser Versammlung schon darüber gemunkelt. Nur wurde dann hier die ganze Zeit über so getan, als existiere dieses Buch gar nicht. Obwohl es doch in Wahrheit um nichts anderes als um das geht. Man verübelt Matti Werchow, es geschrieben zu haben. Aber tja, man traut sich nicht recht an den Inhalt ran. So lautet jedenfalls meine Schlußfolgerung. Man möchte lieber keine Auseinandersetzung. Es reicht nur noch zu billiger Diffamierung. Zu gefährlicher Diffamierung nichtsdestotrotz! Man versucht, den Autor als Person zu verunglimpfen. Darum sind wir einbestellt worden. Vielleicht sollte – und soll noch immer – die Angelegenheit von hier in den ›Anker‹ gelangen? Und vom ›Anker‹, wäre es von dem nicht ein kurzer Weg zu einem der großen Organe? Ein letzter kleiner Wink in diesem abgekarteten Spiel, und das Volk würde erfahren, daß jemand aus seinen Reihen, der im Westen ein Buch veröffentlicht hat, im Ruch steht, den Hitlergruß gezeigt zu haben. Er wäre verbrannt und mit ihm natürlich gleich auch sein Buch. Sogar im Westen wäre es zerstört, denn auch da mag man den Hitlergruß nicht. Und nun? Was auch immer hier jetzt noch geschieht, ohne mich, denn ich bin schon zu alt dafür. Tja, so ist es im Alter: Entweder man ist überhaupt nicht mehr zu beleidigen, oder man ist furchtbar zu beleidigen.« Und Langhammer ging. Unmittelbar vor der Tür sagte er, kurz stehenbleibend, seelenruhig zu dem Beschuldigten: »Matti, ich warte draußen. Ich brauche noch was von dir.«
    Es herrschte Stille, nur das Gebläse der

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