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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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Hauptperson bei einer Zusammenkunft sein, bei einer ganz anders gearteten allerdings. Sie würde in der Wohnung von Markus Fresenius stattfinden, der ihn auch eingeladen hatte: Er, Matti, möge doch aus seinem Buch lesen, es werde diskutiert in gewissen Kreisen, beziehungsweise es bereichere die Diskussion, welche man in diesen Kreisen ohnehin führe.
    Als er in das Hinterhaus in der Dunckerstraße trat, in dem Fresenius wohnte, war es schon spät am Abend. Er tastete nach dem Lichtschalter, aber er fand ihn nicht gleich, und nachdem er ihn gefunden hatte, ging das Licht trotzdem nicht an, jedenfalls nicht hier unten, bloß weiter oben. Matti stieg hinauf, vorsichtig zunächst, dann immer sicherer. Im zweiten Stock baumelte die erste intakte Glühbirne, da fühlte er sich schon richtig wohl, doch gerade als er unter der hinwegging, wurde ruckartig die Tür neben ihm geöffnet, und eine Frau trat heraus und rempelte ihn versehentlich an.
    Sie entschuldigte sich. »Keine Ursache«, sagte Matti. Er schickte sich an weiterzugehen, er war nicht unbedingt darauf erpicht, hier von irgend jemandem gesehen zu werden, denn natürlich war die Zusammenkunft eine illegale; er möge sie niemandem gegenüber ankündigen oder auch nur erwähnen, hatte Markus Fresenius ihm eingeschärft.
    Die Frau aber schien aufzumerken, als sie Mattis gewöhnliche Worte hörte. Jedenfalls begann sie, ihn mit unverhohlenem Interesse zu betrachten, und weil sie das tat und er nicht den Eindruck erwecken wollte, er flüchte vor ihr, blieb er stehen und bemühte sich, ihr ebenfalls ins Gesicht zu sehen. Es wirkte ausgesprochen bleich, wegen der Glühbirne? Das Rot wiederum, mit dem sie sich ihre Lippen bemalt hatte, glänzte und ließ die Lippen wulstig und voll erscheinen. Zugleich waren sie rissig, wie auch auf Stirn und Wangen sich Falten und Fältchen zeigten. Diese Frau, daran bestand für Matti kein Zweifel, war einmal eine Schönheit gewesen. Bestimmt war sie oftmals begehrt und verflucht worden von den Männern; er hatte das Gefühl, als schaue sie ihn aus ihrer bewegten stolzen Vergangenheit heraus an.
    Die Neugierde, mit der sie das fortgesetzt tat, irritierte ihn aber zunehmend. Er wandte sich nun doch zum nächsten Treppenabsatz, und zwar abrupt, er wollte nicht, daß diese ihn ja schon unverschämt musternde Hausbewohnerin jetzt auch noch etwas fragte; er stieg nach oben und hörte sie, nachdem sie noch kurz verharrt hatte, runtergehen, und er beschloß, sich bei Markus Fresenius zu erkundigen, was das für eine Person sei, die da unter ihm im zweiten Stock wohnte, eine halbwegs vertrauenswürdige oder eine, vor der man sich tatsächlich in acht nehmen sollte.
    In dem Wohnzimmer, in das Fresenius ihn führte, drängten sich etwa 25 Menschen. Matti blickte sich um: Einige wenige waren so jung wie er, die meisten hingegen schätzungsweise zehn bis fünfzehn Jahre älter. Sie standen oder saßen in kleinen Gruppen im Raum verstreut. Manche nahmen ihn, weil sie so ins Gespräch vertieft waren, nicht wahr, andere nickten ihm freundlich zu, aber dann gab es noch jemanden, der ihn geradezu taxierte, mehr noch, als es eben die Frau im Hausflur getan hatte, das war der Genosse Stalin, der in einem verschnörkelten goldfarbenen Rahmen an der Wand hing. Er saß, von einer Laterne beschienen, im Fond eines schwarzen Autos und sah sich um, zu Matti und allen hier, mit einem Blick, der verschlagen und gutmütig, wissend und stechend zugleich war. Matti stand wie festgenagelt, er fühlte sich von einer Sekunde zur anderen umhegt und unterworfen, gehätschelt und gepeinigt von diesem gezeichneten Mann, das war ja die große Malkunst, daß man ihn auf Nimmerwiedersehen wegfahren sah und zugleich doch immer weiter seine Dämonen tanzen glaubte.
    Markus Fresenius, der beobachtet hatte, wie Matti erstarrt war, sagte: »›I saw Stalin once when I was a child‹, so heißt das Bild.«
    »Was für ein Titel auch noch«, sagte Matti, »man fühlt sich wahrlich wie ein Kind, man schrumpft, nur durchs Gucken.«
    »Geht mir ähnlich, immer noch, obwohl ich ihn schon lange da hängen habe. Aber weißt du was? Er ist hier mittlerweile so eine Art Türsteher. Meine Einlaßkontrolle. Keiner kann ihn ja übersehen, jeder sagt irgend etwas wegen des Bildes, und davon, was der einzelne sagt oder wie er auch nur schaut, kriege ich eine Ahnung, wie er selber gestrickt ist.«
    »Dann hoffe ich mal, ich habe die Kontrolle bestanden.«
    Markus Fresenius nickte: »Sonst hätte

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