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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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herausgebröckelt war. Endlich bedeutete ihm Devantier mit einer Kopfbewegung, sich den Pullover wieder überzuziehen und sich zu trollen. Was er eilends tat. Devantier schaute ihm grimmig nach, murmelte, »schöne Scheiße«, und wandte sich wieder Britta zu: »Was machst du überhaupt hier? Was spazierst du um diese Zeit hier rum? Hast du nichts zu tun? Bist du asozial, he?«
    Britta schüttelte trotzig den Kopf.
    »Was heißt das? Bist nicht asozial?«
    »Ich kann arbeiten …«
    »Hast du aber noch nie, hab ich recht? Sieht man dir doch auf drei Meilen an! Bist keine Asoziale, aber arbeiten kannst du auch nicht! Wer weiß, warum’s dich herverschlagen hat.« Er winkte ab. »Mir auch wurscht. Solltest jetzt schleunigst …«
    »Mich hat’s nicht herverschlagen«, erwiderte Britta da. »Ich will bei Ihnen anfangen, deshalb bin ich hier.« Erst danach stockte ihr der Atem.
    Devantier musterte sie skeptisch. Aber er brauchte für seinen Privatzirkus immer Arbeitskräfte; er kriegte ja keine zugeteilt, und wenn doch, waren die Zugeteilten nicht zu gebrauchen. Und weniger als nicht zu gebrauchen konnte schließlich auch dieses schmale Mädchen hier nicht sein. Richard Devantier trat kurz entschlossen mit dem Fuß aufs Blatt der von dem Jungen liegengelassenen Forke, ergriff, weiterhin Britta anschauend, mit traumwandlerischer Sicherheit den zu ihm hochschwingenden Stiel, drückte ihn ihr in die Hand und wies mit dem Finger in Richtung der Pferdeställe, vor denen sich übermannsgroße graugelbe Strohballen türmten.
    So erhielt Britta Kenntnis von ihrer ersten Anstellung, und etwas völlig Neues begann.
    *
    Nachdem sie am Abend müde und von Kopf bis Fuß stinkend, jedoch gar nicht unglücklich, eher fassungslos über sich nach Hause zurückgekommen war und in der Küche berichtet hatte, welche Entscheidung gewissermaßen vom Himmel gefallen war, und sie, nach einer schnellen Dusche, gleich wieder davongestürzt war, um Catherine zu unterrichten, schrie Ruth plötzlich mit tränenerstickter Stimme Willy an: »Was ist bloß geschehen? Womit habe ich das verdient? Meine Tochter schichtet Mist! Was für ein Leben! Was für eine Zukunft! Eben war sie noch auf der Schule, und jetzt verrichtet sie Hilfsarbeiten! Ein böser Traum … warum, warum nur …?« Ruth verfiel in ein Wimmern. Dann aber streckte sie ihren Kopf nach vorn wie ein ausgehungerter Vogel, der irgendwo ein Körnchen entdeckt hat, und fing an, auf Willy einzuhacken: »Deine Schuld, alles ist deine Schuld! Du hast sie verprellt! Wenn du nicht so auf sie eingeredet hättest, wäre alles anders gekommen! Du hast sie in den Dreck gestürzt! Du hast sie verprellt!«
    Willy griff nach ihren Schultern: »Ruth, beruhige dich. So beruhige dich doch.«
    Ruth riß sich los: »Laß mich! Faß mich nicht an! Du hast sie verprellt! Alle verprellst du! Mich hast du schon lange verprellt! Faß mich nicht an, sag ich, faß mich nicht an!« Ihre Augen waren weit aufgerissen und voller Haß.
    »Ich habe dich verprellt? Wann habe ich dich verprellt?« verteidigte sich Willy empört. »Wann und wo soll das denn gewesen sein?« Er wurde immer wütender, er schleuderte ihr etwas entgegen, das ihm wohl schon lange auf der Seele gelegen hatte. »Im Bett vielleicht? Ja, da zuckst du zusammen! Reden wir ruhig darüber, reden wir darüber! Ich versuche mit einer Engelsgeduld, mit dir zu schlafen, aber vergebens! Ich komme mir vor wie ein Aussätziger! Jawohl, wie ein Aussätziger! Ich weiß gar nicht, wie lange das schon so geht! Wodurch soll ich dich verprellt haben, sag mir das! Das waren ja wohl andere, das waren ganz andere, und das ist dein Problem …« Erschrocken brach er ab.
    Ruth starrte ihn entsetzt an, sackte in sich zusammen. Sie sah auf einmal wie ein Häufchen Elend aus. Nichts schien von ihrer Wut geblieben. »Wie … wie meinst du das?« stammelte sie.
    Er verfluchte sich. Daß er sich nicht im Zaum halten konnte! Rudi hatte ihn doch beschworen, sich Ruth gegenüber nie auch nur mit einer Silbe zu verraten, das war kurz vor seinem Tode gewesen, in der Stunde seiner seltsamen Beichte, in der er um das Fernrohr gebeten hatte. »Willy, mein Junge«, hatte er hinzugefügt, »und da ist noch etwas, was ich dir sagen muß«, er erinnerte an die wirren Wochen, in denen die Engländer aus Gerberstedt abzogen und die Russen erschienen, in diesen verfluchten Wochen sei es ihm und seiner Frau nicht vollends gelungen, Ruth zu beschützen. Er habe doch eine neue Verwaltung

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