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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Stadt gebaut war, nicht vom Meer. Als er aus dem Haus trat, schlugen ihm die kalten Schwaden ins Gesicht und krochen in seinen Kragen. Er konnte nur ein paar Meter weit sehen, dann wurde alles undeutlich; Häuser erschienen und verschwanden wieder, als wären sie in Bewegung und nicht der Nebel. Phantome, in schimmerndes Grau gekleidet, begegneten ihm auf der Straße und glitten wie körperlos an ihm vorbei. Wenn er sich umdrehte und ihnen mit dem Blick folgte, sah er sie verschwinden, verschluckt von dem dichten Vorhang, der in den engen Gassen und über dem Wasser hing wie ein Fluch. Instinkt und langjährige Erfahrung sagten ihm, dass der Bootsverkehr auf dem Canal Grande eingestellt war, der Nebel war einfach zu dicht. Blind ging er weiter, verließ sich auf seine Füße und die jahrelange Vertrautheit mit Brücken, Straßen und Biegungen, bis er zur Haltestelle Zattere kam, wo die Boote der Linien acht und fünf auf ihrem Weg zur Giudecca hielten.
    Der Bootsverkehr war eingeschränkt und die Vaporetti mit ihren rotierenden Radarantennen tauchten wahllos aus dem Nebel auf, von jeglichem Fahrplan entbunden. Er wartete eine Viertelstunde, bevor eine Fünf kam und den Steg so heftig rammte, dass die wenigen Wartenden durcheinander purzelten. Nur das Radar sah die Überfahrt, die Passagiere drängten sich in der Kabine zusammen, blind wie Maulwürfe im Sand.
    Als er das Boot verlassen hatte, blieb Brunetti keine Wahl, als geradeaus zu gehen, bis er beinah die Wände der Häuser entlang des Wassers berührte. So tastete er sich weiter bis zu der Stelle, wo seiner Erinnerung nach der Durchgang sein musste. Als die Reihe der Fassaden durch eine Öffnung unterbrochen wurde, bog er ein, unsicher, ob dies tatsächlich die Corte Mosca war. Der Nebel war zu dicht, als dass er den Namen hätte lesen können, obwohl er nur zwei Handbreit über seinem Kopf an der Mauer stand.
    In der feuchtkalten Luft war der Katzengeruch noch intensiver und stieg noch beißender in die Nase. Die toten Pflanzen im Hof lagen jetzt unter einer Nebeldecke. Er klopfte an die Tür, klopfte noch einmal lauter und hörte sie von der anderen Seite rufen: »Wer ist da?«
    »Commissario Brunetti.«
    Wieder hörte er das langsame, ärgerliche Knirschen von Metall auf Metall, als sie die schweren Riegel zurückschob. Dann zog sie die Tür auf. Weil es so feucht war, musste sie in der Mitte kräftig rucken und sie etwas anheben, um die Unebenheiten des Bodens zu überwinden. Sie trug denselben Mantel, diesmal allerdings bis oben zugeknöpft und fragte nicht einmal, was er wollte. Sie trat gerade so weit zurück, dass er eintreten konnte, dann knallte sie die Tür hinter ihm zu. Wieder schob sie sorgsam alle Riegel an ihren Platz, bevor sie sich umdrehte und ihn den engen Flur entlang führte. In der Küche setzte er sich an den Ofen und sie schob mit dem Fuß die Rolle wieder an die Tür.
    Dann schlurfte sie zu ihrem Sessel und ließ sich hinein sinken, um sogleich von den wartenden Tüchern und Schals eingehüllt zu werden.
    »Sie sind wieder da.«
    »Ja.«
    »Was wollen Sie?«
    »Was ich letztes Mal auch wollte.«
    »Und was wäre das? Ich bin eine alte Frau und habe kein gutes Gedächtnis mehr.« Die Intelligenz in ihren Augen strafte ihre Aussagen Lügen.
    »Ich möchte gern etwas über Ihre Schwester wissen.«
    Ohne erst zu fragen, welche er meinte, sagte sie: »Was wollen Sie wissen?«
    »Ich möchte Sie nicht an Ihren Kummer erinnern, Signora, aber ich muss mehr über Wellauer wissen, damit ich verstehen kann, warum er gestorben ist.«
    »Und ob er es verdient hat zu sterben?«
    »Signora, wir alle verdienen es zu sterben, aber niemand sollte für uns entscheiden dürfen, wann.«
    »Ach, du liebe Güte.« Sie lachte trocken. »Sie sind ja ein richtiger Jesuit, was? Und wer hat entschieden, wann meine Schwester sterben sollte? Und wie?« So plötzlich ihr Ärger aufgeflammt war, erstarb er wieder und sie fragte: »Was wollen Sie wissen?«
    »Ich weiß von Ihrer Beziehung zu ihm. Ich weiß, dass er als Vater des Kindes galt, das Ihre Schwester erwartete. Und ich weiß, dass sie 1939 in Rom gestorben ist.«
    »Sie ist nicht einfach gestorben. Sie ist verblutet«, sagte sie in einem Ton, so düster wie der Tod. »Sie ist in dem Hotelzimmer verblutet, in das er sie nach der Abtreibung gebracht und in dem er sie nicht besucht hat.« Der Schmerz des Alters kämpfte in ihrer Stimme mit dem Schmerz der Erinnerung. »Als man sie fand, war sie schon einen Tag

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