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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Arbeit?«
    »Vermutlich könnte man es Arbeit nennen«, antwortete Santore und nippte an seinem Cognac. »Ich soll in drei Wochen mit einer Neuinszenierung des Agamemnon in Rom anfangen.«
    »Auf griechisch?«, wollte Brunetti wissen, aber es war klar, dass er es nicht ernst meinte.
    »Nein, in einer Übersetzung.« Santore schwieg einen Augenblick, doch dann gewann seine Neugier die Oberhand. »Wie kommt es, dass ein Commissario Griechisch liest?«
    Brunetti ließ die Flüssigkeit in seinem Glas kreisen. »Ich habe es mal vier Jahre gelernt. Aber das ist lange her. Ich habe fast alles vergessen.«
    »Aber Sie können immer noch Aischylos erkennen?«
    »Ich kann die Schrift lesen. Aber das ist leider alles, was noch übrig ist.« Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und fügte hinzu: »Bei den Griechen hat mir immer gefallen, dass sie die Gewalt von der Bühne ferngehalten haben.«
    »Im Gegensatz zu uns?«, fragte Santore und dann noch einmal: »Im Gegensatz zu dem jetzt?«
    »Ja, im Gegensatz zu dem jetzt«, bestätigte Brunetti und fragte sich nicht einmal, woher Santore wohl wusste, dass es ein gewaltsamer Tod gewesen war. Aber das Theater war klein und wahrscheinlich hatte er es schon vor der Polizei gewusst, wahrscheinlich sogar, bevor man sie gerufen hatte.
    »Haben Sie heute Abend mit ihm gesprochen?« Es war nicht nötig, Namen zu nennen.
    »Ja, wir hatten eine Auseinandersetzung vor dem ersten Akt. Wir haben uns in der Bar getroffen und sind dann in seine Garderobe gegangen«, sagte Santore ohne zu zögern. »Ich weiß nicht mehr, ob wir uns angeschrieen haben, aber mit erhobener Stimme haben wir sicher beide gesprochen.«
    »Und worum ging es bei dem Streit?«, fragte Brunetti so ruhig, als rede er mit einem alten Freund und ebenso sicher, dass er die Wahrheit hören würde.
    »Wir hatten eine mündliche Absprache über diese Inszenierung getroffen. Ich habe meinen Teil erfüllt. Helmut weigerte sich, seinen zu erfüllen.«
    Statt Santore zu bitten, das näher zu erklären, trank Brunetti seinen Cognac aus, stellte das Glas auf den Tisch und wartete.
    Santore legte die Hände um sein Glas und rollte es langsam hin und her. »Ich hatte eingewilligt, diese Inszenierung zu machen, weil er versprach, dafür einem Freund von mir eine Rolle zu besorgen, bei den diesjährigen Händelfestspielen in Halle. Es sind keine bedeutenden Festspiele und es war keine große Rolle, aber Helmut hatte sich bereit erklärt, mit den entsprechenden Leuten zu reden und sich dafür einzusetzen, dass mein Freund die Rolle bekam. Helmut sollte dort nur die eine Oper dirigieren.« Santore hob sein Glas an die Lippen und trank. »Darum ging es bei dem Streit.«
    »Und was haben Sie gesagt?«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich noch genau weiß, was ich alles gesagt habe - oder er - ich weiß nur, dass ich sagte, da ich meinen Teil getan hätte, fände ich sein Verhalten unaufrichtig und unmoralisch.« Beim letzten Wort seufzte er. »Wenn man mit Helmut sprach, redete man zum Schluss immer wie er.«
    »Was hat er dazu gesagt?«
    »Er hat gelacht.«
    »Warum?«
    Statt zu antworten, fragte Santore: »Möchten Sie noch einen Cognac? Ich hole mir noch einen.«
    Brunetti nickte dankbar. Diesmal legte er, solange Santore fort war, den Kopf an die Rückenlehne seines Sessels und schloss die Augen.
    Er öffnete sie wieder, als er Santores Schritte näher kommen hörte. Er nahm das Glas, das der andere ihm reichte und fragte, als hätten sie ihr Gespräch nicht unterbrochen: »Warum hat er gelacht?«
    Santore ließ sich in den Sessel sinken, diesmal hielt er sein Glas mit einer Hand am Fuß fest. »Einmal wahrscheinlich, weil Helmut immer glaubte, über der gewöhnlichen Moral zu stehen. Oder vielleicht dachte er, es sei ihm gelungen, seine eigene zu schaffen, eine andere als unsere, eine bessere.« Brunetti schwieg und er fuhr fort: »Beinah, als habe er allein das Recht zu definieren, was Moral war, beinah als glaubte er, niemand sonst habe das Recht, den Begriff zu benutzen. Er fand jedenfalls sicher, dass ich kein Recht dazu hätte.« Er zuckte die Achseln, nippte.
    »Warum sollte er so denken?«
    »Meiner Homosexualität wegen«, antwortete der andere schlicht, als habe das für ihn ungefähr soviel Bedeutung wie die Frage, welche Zeitung man lese.
    »Ist das der Grund, warum er sich weigerte, Ihrem Freund zu helfen?«
    »Es läuft darauf hinaus, ja«, meinte Santore. »Anfangs behauptete er, Saverio sei nicht gut genug, habe nicht genügend

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