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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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warten, bevor er zu erkennen gab, wer er war.
    »Signora«, sagte er laut und deutlich und beugte sich dabei nach vorn, »ich würde gern mit Ihnen über den Maestro Helmut Wellauer sprechen.«
    Ihrem Gesicht war nicht anzusehen, ob sie von dem Tod gehört hatte. »Sie brauchen nicht zu schreien. Ich bin nicht taub. Was sind Sie, ein Reporter? Wie der andere?«
    »Nein, Signora. Reporter bin ich nicht. Aber ich würde gern mit Ihnen über den Maestro reden.« Er wählte seine Worte jetzt sorgsam, auf ihre Wirkung bedacht. »Ich weiß, dass Sie bei ihm gesungen haben. Damals, auf der Höhe Ihres Ruhmes.« Beim letzten Wort blickte sie abrupt zu ihm auf und er meinte, etwas Weiches in ihrem Augenausdruck zu entdecken.
    Sie betrachtete ihn abwägend, suchte den Musiker hinter der konservativen blauen Krawatte. »Ja, ich habe unter ihm gesungen. Aber das ist lange her.«
    »Ja, Signora, ich weiß. Aber Sie würden mir eine große Ehre erweisen, wenn Sie mir etwas über Ihre Laufbahn erzählen würden.«
    »Sie meinen, solange sie mit seiner verknüpft war.« Er spürte förmlich den Moment, in dem sie merkte, wer und was er war.
    »Sie sind von der Polizei, stimmt's?«, fragte sie, als sei ihr die Erkenntnis über einen Geruch gekommen und nicht über einen Gedanken. Sie zog den Mantel um sich und kreuzte die Arme über der Brust.
    »Ja, Signora, das stimmt, aber ich war immer ein großer Bewunderer Ihrer Kunst.«
    »Warum habe ich Sie dann noch nie hier gesehen? Lügner.« Es war eine Feststellung, kein Vorwurf. »Aber ich werde mit Ihnen reden. Sonst kommen Sie doch nur mit einem Stapel Papier wieder.« Sie drehte sich unvermittelt um und trat ins Dunkel zurück. »Kommen Sie rein, kommen Sie rein, ich kann es mir nicht leisten, den ganzen Hof zu heizen.«
    Er folgte ihr und sogleich fielen Kälte und Feuchtigkeit über ihn her. Er wusste nicht, ob es daran lag, dass er so plötzlich von der Sonne abgeschnitten war, aber die Wohnung kam ihm viel kälter vor als der offene Hof. Sie drängte sich an ihm vorbei und schob die Tür zu, sperrte den letzten Rest von Licht und Wärme aus. Mit dem Fuß schob sie eine dicke Stoffrolle vor den schmalen Spalt unter der Tür. Dann schloss sie ab und schob die Riegel vor. Und das mit einem Polizisten an ihrer Seite.
    »Hier entlang«, murmelte sie und schlurfte einen langen Korridor entlang. Brunetti musste warten, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bevor er ihr durch den feuchten Flur in eine kleine düstere Küche folgen konnte, in deren Mitte ein altmodischer Kerosinofen stand. Ein winziges Flämmchen flackerte darin; direkt davor hatte sie einen schweren Sessel gerückt, auf dem so viele Decken übereinander lagen, wie die alte Frau Pullover anhatte.
    »Sie wollen bestimmt Kaffee«, sagte sie, als sie die Küchentür zumachte und auch hier eine Stoff rolle vor den Spalt schob.
    »Das wäre sehr freundlich, Signora«, antwortete er.
    Sie deutete auf einen schlichten Stuhl gegenüber ihrem Sessel und Brunetti setzte sich, nicht ohne vorher festzustellen, dass der geflochtene Sitz an einigen Stellen durchgesessen oder durchgekaut war. Er ließ sich vorsichtig nieder und sah sich um. Überall waren die Zeichen bitterster Armut zu erkennen: an dem Betonspülstein mit nur einem Wasserhahn, am Fehlen von Kühlschrank oder Herd und den Schimmelflecken an den Wänden. Er roch die Armut mehr, als dass er sie sah, roch sie in der abgestandenen Luft, dem Gestank nach Fäulnis, der fast allen Erdgeschoßwohnungen in Venedig anhaftete, dem Geruch nach Salami und Käse, die offen und ohne Kühlung aufbewahrt wurden und in dem säuerlichen Dunst, der aus den Decken und Schals im Sessel der alten Frau zu ihm herüberdriftete.
    Mit Bewegungen, denen man Alter und Beengtheit ansah, goss sie aus einer Espressokanne Kaffee in ein flaches Töpfchen, schlurfte damit zu dem Kerosinofen und setzte es darauf. Mit unsicheren Schritten ging sie zur Abstellfläche neben der Spüle und kam mit zwei angeschlagenen Tassen zurück, die sie auf den Tisch neben ihrem Sessel stellte. Dann wieder zurück, diesmal, um eine kleine, kristallene Zuckerschale zu holen, in deren Mitte ein Rest verklumpter Zucker klebte. Sie tauchte einen Finger in den Topf, fand die Temperatur offenbar richtig, verteilte die Flüssigkeit auf die beiden Tassen und schob ihm die eine ungeschickt hin. Dann leckte sie ihren Finger ab.
    Sie bückte sich, um die Decken auf ihrem Sessel zurückzuschlagen. Dann setzte sie

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