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Brunetti 02 - Endstation Venedig

Brunetti 02 - Endstation Venedig

Titel: Brunetti 02 - Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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stellen konnte, dann kannte er die Antwort.
    »Ehrenhandel?« schlug Brunetti als Motiv vor.
    Ambrogiani lächelte wieder. »Wenn man jemanden wegen eines Ehrenhandels umbringt, tut man es nicht hundert Kilometer von zu Hause entfernt. Man tut es im Schlafzimmer oder in der Bar, aber man fährt dazu nicht nach Venedig. Wenn es hier passiert wäre, hatte man als Motiv Sex oder Geld annehmen können. Aber es ist nicht hier passiert, also muß der Grund ein anderer sein.«
    »Ein deplazierter Mord?« fragte Brunetti.
    »Ja, deplaziert«, wiederholte Ambrogiani, dem die Formulierung offensichtlich gefiel. »Und darum sehr interessant.«

7
    Der Maggiore schob Brunetti mit der Spitze seines dicken Fingers die dünne Akte hin und goß sich noch ein Glas Mineralwasser ein. »Hier, das haben sie uns gegeben. Eine Übersetzung liegt bei, wenn Sie die brauchen.«
    Brunetti schüttelte den Kopf und nahm sich die Akte vor. Auf dem Deckel stand in roten Buchstaben gedruckt: ›Foster, Michael, b. 09/28/62, SSN 651 34 1054.‹ Er schlug ihn auf, und sein Blick fiel als erstes auf die Fotokopie eines Paßbildes, die an die Innenseite des Deckels geheftet war. Der Tote war darauf nicht wiederzuerkennen. Diese scharfen Konturen in Schwarz-Weiß hatten nichts mit dem gelblichen Gesicht des Toten zu tun, das Brunetti gestern am Ufer des Kanals gesehen hatte. Es waren zwei getippte Seiten, aus denen hervorging, daß Sergeant Foster für das Office of Public Health gearbeitet hatte, daß er einmal einen Strafzettel bekommen hatte, als er innerhalb des Stützpunkts ein Stopschild überfuhr, daß er vor einem Jahr zum Sergeant befördert worden war und daß seine Familie in Biddeford Pool in Maine lebte.
    Das zweite Blatt enthielt die Zusammenfassung eines Gesprächs mit einem italienischen Zivilisten, der im Büro des Gesundheitsdienstes beschäftigt war und angab, daß Foster gut mit seinen Kollegen auskam, viel arbeitete und höflich und freundlich mit den italienischen Zivilangestellten im Büro umging. »Nicht gerade viel, oder?« meinte Brunetti, während er die Akte zuklappte und dem Maggiore über den Schreibtisch zurückschob. »Der vollkommene Soldat. Arbeitsam. Gehorsam. Freundlich.«
    »Aber jemand hat ihm ein Messer zwischen die Rippen gestoßen.«
    Brunetti dachte an Dr. Peters und fragte: »Keine Frauen?«
    »Soweit wir wissen, nicht«, antwortete Ambrogiani. »Aber das heißt nicht, daß es keine gegeben hat. Er war jung und sprach ganz passabel italienisch. Es wäre also durchaus möglich.« Ambrogiani hielt einen Augenblick inne und fügte hinzu: »Es sei denn, er hat sich dessen bedient, was man vor dem Bahnhof für Geld haben kann.«
    »Stehen sie da?«
    Ambrogiani nickte. »Und in Venedig?«
    Brunetti schüttelte den Kopf. »Seit die Puffs von der Regierung geschlossen wurden, ist es damit vorbei. Es gibt ein paar, aber die arbeiten in den Hotels und machen uns keinen Ärger.«
    »Hier haben wir sie vor dem Bahnhof, aber ich glaube, die Zeiten sind schlecht geworden für einige von ihnen. Es gibt zu viele Frauen, die es umsonst machen«, meinte Ambrogiani und ergänzte: »aus Liebe.«
    Brunettis Tochter war gerade dreizehn geworden, und er wollte nicht daran denken, was junge Frauen aus Liebe umsonst machten. »Kann ich mit den Amerikanern reden?« fragte er.
    »Ja, ich denke schon«, antwortete Ambrogiani und griff nach dem Telefonhörer. »Wir sagen ihnen, daß Sie der Polizeichef von Venedig sind. Der Rang wird ihnen gefallen, und sie werden mit Ihnen reden.« Er wühlte eine offensichtlich vertraute Nummer und zog sich, während er wartete, den Ordner heran. Penibel schob er die paar Blätter zurecht und legte das Ganze direkt vor sich.
    Unvermittelt sprach er in korrektem Englisch, wenn auch mit starkem Akzent, in den Horer. »Good afternoon, Tiffany. This is major Ambrogiani. Is the major there? What? Yes, I'll wait.« Er legte die Hand über die Sprechmuschel und hielt den Hörer von seinem Ohr weg. »Er ist in einer Konferenz. Amerikaner leben anscheinend in Konferenzen.«
    »Könnte es sein, daß...« begann Brunetti und brach ab, als Ambrogiani die Hand wegnahm.
    »Ja, danke. Guten Morgen, Major Butterworth.« Der Name hatte in den Unterlagen gestanden, aber aus Ambrogianis Mund klang er wie »Badderword.«
    »Ja, Major. Ich habe den Chef der venezianischen Polizei hier bei mir. Ja, wir haben ihn mit dem Hubschrauber hergeholt.« Es folgte eine lange Pause. »Nein, er hat nur heute Zeit für uns.« Er sah auf

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