Brunetti 02 - Endstation Venedig
arbeitet dann noch hier?« wollte Brunetti wissen, indem er auf die drei Schreibtische wies.
»Das hier ist Mikes Schreibtisch. Ich meine, es war Mikes«, berichtigte er sich. »Der andere gehört Sergeant Dostie, aber der ist gerade in Warschau.« Er zeigte zu dem Computer auf dem dritten Schreibtisch. »Den da haben sie sich geteilt.«
Wie weit dieser amerikanische Adler doch seine Flügel ausbreitete. »Wann kommt er zurück?« fragte Brunetti.
»Irgendwann nächste Woche«, antwortete Wolf.
»Und wie lange ist er schon weg?« Brunetti fand seine Frage in dieser Form weniger direkt, als wenn er gefragt hätte, wann Dostie abgefahren war.
»Schon länger, noch bevor das passiert ist«, beantwortete Wolf erschöpfend Brunettis Frage und schloß Dostie damit als Verdächtigen aus.
»Möchten Sie mit in mein Büro kommen?«
Brunetti folgte ihm durch die Gänge des Krankenhauses und versuchte sich dabei den Weg zu merken. Sie gingen durch doppelte Schwingtüren, makellos saubere Korridore und weitere Türen, bis Wolf schließlich vor einer offenen Zimmertür stehenblieb.
»Nichts Großartiges, aber mein Zuhause«, sagte er mit überraschender Herzlichkeit. Er trat beiseite, um Brunetti den Vortritt zu lassen, kam dann nach und machte die Tür hinter ihnen zu. »Wir wollen ja nicht gestört werden«, bemerkte er dazu und lächelte. Dann ging er zum Schreibtisch und setzte sich in den mit Lederimitat bezogenen Drehsessel. Ein riesiger Terminplaner nahm den größten Teil der Schreibtischplatte ein, darauf verteilt Ablagemappen, ein Eingangs- und ein Ausgangskorb und ein Telefon. Rechts stand in einem Messingrahmen das Bild einer orientalischen Frau mit drei kleinen Kindern, offensichtlich die Sprößlinge aus dieser Mischehe.
»Ihre Frau?« fragte Brunetti, als er vor dem Schreibtisch Platz nahm.
»Ja, ist sie nicht schön?«
»Sehr«, bestätigte Brunetti.
»Und das sind unsere drei Kinder. Joshua ist zehn, Melissa sechs und Aurora erst ein Jahr alt.«
»Eine sehr ansehnliche Familie«, meinte Brunetti.
»Ja, das finde ich auch. Ich wüßte nicht, was ich ohne sie tate. Ich habe oft zu Mike gesagt, das sei es, was er brauche, eine Frau und ein Heim.«
»Brauchte er denn ein Heim?« fragte Brunetti, der es interessant fand, daß es immer verheiratete Männer mit mehreren Kindern waren, die alleinstehenden Männern solches wünschten.
»Tja, ich weiß es nicht.« Wolf beugte sich vor und stutzte die Ellbogen auf seinen Schreibtisch. »Er war immerhin schon über Dreißig. Da wird es Zeit, eine Familie zu gründen.«
»Hatte er denn eine Freundin, mit der er eine hätte gründen können?« fragte Brunetti freundlich.
Wolf sah ihn an, dann blickte er auf seinen Schreibtisch. »Nicht daß ich wüßte.«
»Mochte er Frauen?« Wenn Wolf klar war, daß damit gefragt werden sollte, ob Foster vielleicht Männer mochte, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.
»Ich glaube schon. Aber so gut habe ich ihn dann auch wieder nicht gekannt. Nur hier bei der Arbeit.«
»Gibt es hier jemanden, mit dem er besonders befreundet war?« Als Wolf den Kopf schüttelte, setzte Brunetti hinzu: »Dr. Peters war ziemlich außer Fassung, als sie die Leiche sah.«
»Naja, sie haben ein Jahr lang zusammen gearbeitet. Meinen Sie nicht, daß es da nur normal ist, wenn sie beim Anblick seiner Leiche außer Fassung gerat?«
»Doch, wahrscheinlich«, antwortete Brunetti, ohne weiter darauf einzugehen. »Sonst jemand?«
»Nein, mir fällt niemand ein.«
»Vielleicht könnte ich Mr. Dostie fragen, wenn er zurückkommt.«
»Sergeant Dostie«, korrigierte Wolf automatisch.
»Kannte er Sergeant Foster gut?«
»Das weiß ich wirklich nicht, Commissario.« Brunetti hatte den Eindruck, daß dieser Mann überhaupt nicht viel wußte, jedenfalls nicht über jemanden, der schon seit...
»Wie lange hat Sergeant Foster für Sie gearbeitet?« fragte er.
Wolf ließ sich in seinen Sessel zurücksinken, sah das Foto vor sich an, als konnte seine Frau es ihm sagen, und antwortete dann: »Vier Jahre. Seit er hier ist.«
»Aha. Und wie lange ist Sergeant Dostie hier?«
»Etwa vier Jahre.«
»Was war Sergeant Foster für ein Mensch, Sergeant Wolf?« fragte Brunetti, um das Gespräch wieder auf den Toten zu bringen.
Diesmal sah Wolf erst seine Kinder an, bevor er antwortete. »Er war ein hervorragender Soldat. Das können Sie seiner Akte entnehmen. Er neigte dazu, sich abzuschotten, aber das mag daran gelegen haben, daß er noch studierte,
Weitere Kostenlose Bücher