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Brunetti 02 - Endstation Venedig

Brunetti 02 - Endstation Venedig

Titel: Brunetti 02 - Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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zu der sechs eine sieben und eine acht aufzudecken. Sein Turm aus Chips wuchs und Brunetti wandte sich ab.
    Anscheinend rauchten hier alle. Beim Baccarat hatte ein Spieler zwei brennende Zigaretten vor sich auf einem Aschenbecher liegen, eine dritte hing von seiner Unterlippe. Der Rauch war überall, in Brunettis Augen, Haaren, Kleidern; er bildete eine Wolke, die man hätte zerschneiden oder mit der Hand wegdrücken können. Brunetti ging weiter zur Bar und bestellte sich, obwohl er eigentlich gar keinen Appetit darauf hatte, einen Grappa, nur weil es ihn langweilte, dem Spiel zuzusehen.
    Er setzte sich auf ein plüschiges Samtsofa, beobachtete die Spieler und nippte gelegentlich an seinem Glas. Schließlich machte er die Augen zu und ließ sich ein paar Minuten davontreiben. Da fühlte er, wie sich das Polster neben ihm bewegte, und ohne die Augen zu öffnen oder den Kopf von der Rückenlehne zu heben, wußte er, daß es Paola war. Sie nahm ihm das Glas aus der Hand, trank ein Schlückchen und gab es ihm wieder. »Müde?« fragte sie.
    Er nickte. Plötzlich war er zu müde, um zu sprechen.
    »Also gut. Komm mit, wir spielen noch eine Runde Roulette, dann können wir nach Hause gehen.«
    Er drehte den Kopf zu ihr, öffnete die Augen und lächelte sie an. »Ich liebe dich, Paola«, sagte er, dann senkte er den Kopf und nippte an seinem Grappa. Fast schüchtern blickte er zu ihr auf. Sie grinste, beugte sich herüber und küßte ihn auf den Mund. »Na komm«, sagte sie, indem sie aufstand und ihm die Hand reichte, um ihn hochzuziehen. »Laß uns noch dieses Geld verspielen, dann können wir heimgehen.« Sie hielt fünf Chips zu je fünfzigtausend Lire in der Hand, hatte also gewonnen. Sie gab ihm zwei und behielt die anderen für sich.
    Als sie in den Hauptsaal zurückkamen, mußten sie ein paar Minuten warten, bevor sie sich zum Roulette durchdrängen konnten, und als sie einen Platz hatten, wartete er aus irgendeinem Grund zwei Spiele ab, bis ihm der richtige Zeitpunkt zum Einsatz gekommen schien. Er legte die beiden Chips in seiner Hand übereinander und plazierte sie blind auf irgendeine Zahl. Als er hinsah, war es die Achtundzwanzig, eine Zahl, die absolut keine Bedeutung für ihn hatte. Paola legte ihre Chips auf Rot.
    Drehung, zusehen, warten, und wie er gewußt hatte, fiel die Kugel an ihren rechtmäßigen Platz auf der Achtundzwanzig, und er gewann über drei Millionen Lire. Fast ein Monatsgehalt, eine Urlaubsreise, ein Computer für Chiara. Er beobachtete, wie der Rechen des Croupiers auf ihn zuglitt und dabei die Chips über die Filzdecke schob, bis sie vor ihm lagen. Er sammelte sie ein, lächelte Paola zu und rief so laut, wie man im Casinò seit Jahren niemanden hatte rufen hären, auf englisch: »Hot damn!«

10
    Er hielt es für unsinnig, am nächsten Morgen erst noch in die Questura zu gehen, und blieb zu Hause, bis es Zeit für den Zug nach Vicenza war. Allerdings rief er noch Maggior Ambrogiani an und bat ihn, den Fahrer zum Bahnhof zu schicken.
    Als der Zug den Damm überquerte und die Stadt hinter sich ließ, konnte Brunetti in der Ferne die Berge erkennen, die man heutzutage nur selten sah; noch nicht schneebedeckt, aber er hoffte, sie würden es sehr bald sein. Dies war nun schon das dritte Jahr mit wenig Regen im Frühjahr, gar keinem im Sommer und einer schlechten Ernte im Herbst. Die Bauern hatten ihre Hoffnungen nun auf Schneefälle im Winter gesetzt, und ihm fiel ein Sprichwort der Landbevölkerung des Friaul ein, eines zahen, arbeitsamen Völkchens: »Sotto la neve, pane; sotto la pioggia, fame «. Ja, Schnee im Winter würde für Brot sorgen, wenn er sein eingefrorenes Wasser in der Wachstumsperiode langsam freigab, während Regen, der rasch wegfloß, nur Hunger brachte.
    Er hatte seine Aktentasche heute nicht mitgenommen, denn es war unwahrscheinlich, daß er an zwei Tagen hintereinander Beutel mit Kokain finden würde, aber er hatte auf dem Bahnhof eine Zeitung gekauft und schlug sie auf, während der Zug ihn durch die Ebene in Richtung Vicenza trug. Der tote Amerikaner wurde heute nicht erwähnt; seinen Platz hatte ein Mord aus Leidenschaft in Modena eingenommen: Ein Zahnarzt hatte eine Frau, die ihn nicht heiraten wollte, erdrosselt und sich anschließend erschossen. Die restliche Fahrt verbrachte er damit, die politischen Nachrichten zu lesen, und als er in Vicenza ankam, wußte er genausoviel wie bei seiner Abfahrt in Venedig.
    Derselbe Fahrer wartete vor dem Bahnhof auf ihn, aber

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