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Brunetti 02 - Endstation Venedig

Brunetti 02 - Endstation Venedig

Titel: Brunetti 02 - Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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einem Artikel kam, der mit Farbfotos illustriert war, die er für menschliche Füße hielt, aber es waren derart verstümmelte Füße, daß man sie kaum als solche erkennen konnte, Füße, bei denen die Zehen sich nach oben zum Spann hin bogen oder nach unten zu den Fußsohlen hin. Er betrachtete die Fotos ein Weilchen, und als er gerade anfangen wollte, den Artikel zu lesen, spürte er neben sich eine Bewegung und sah auf. Dr. Peters stand in der Tür. Wortlos nahm sie ihm die Zeitschrift aus der Hand, klappte sie zu und legte sie auf die entfernte Seite ihres Schreibtischs.
    »Was machen Sie denn hier?« fragte sie, weder ihre Überraschung noch ihren Ärger verbergend.
    Er stand auf. »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Ihre Sachen durcheinandergebracht habe, Doctor. Ich wollte eigentlich mit Ihnen sprechen, wenn Sie Zeit haben. Beim Warten sah ich die Zeitschrift da liegen und habe darin herumgeblättert. Es stört Sie hoffentlich nicht.«
    Offenbar merkte sie, daß Ihre Reaktion unangemessen gewesen war. Er beobachtete sie, wie sie versuchte, sich zu fangen. Schließlich setzte sie sich auf ihren Schreibtischstuhl und meinte mit einem angedeuteten Lächeln: »Besser das als meine Post.« Danach wirkte ihr Lächeln wieder aufrichtig. Sie deutete auf die nun zugeschlagene Zeitschrift. »Das passiert bei alten Leuten. Sie werden zu steif, um sich noch bücken und ihre Nägel schneiden zu können, aber die Nägel wachsen weiter, und schließlich sind die Füße, wie Sie gesehen haben, schrecklich entstellt.«
    »Dann lieber Kinderärztin«, sagte er.
    Sie lächelte wieder. »Ja, viel lieber. Ich finde es besser, seine Zeit in Kinder zu investieren.« Sie legte ihr Stethoskop auf die Zeitschrift und sagte: »Aber wahrscheinlich sind Sie nicht gekommen, um mit mir über meine Berufswahl zu sprechen, Commissario. Was möchten Sie gern wissen?«
    »Ich möchte wissen, warum Sie mir Ihre Reise mit Sergeant Foster nach Kairo verheimlicht haben.«
    Er sah ihr an, daß sie nicht überrascht war, vielleicht sogar damit gerechnet hatte. Sie schlug die Beine übereinander, so daß der Uniformrock, den sie unter ihrem weißen Kittel trug, ihre Knie entbläßte. »Sie haben also doch meine Post gelesen?« fragte sie. Und als er nicht antwortete, fuhr sie fort: »Es sollte keiner hier erfahren, was los ist.«
    »Aber, Doctor Peters, Sie haben eine Postkarte hierher geschickt, mit Ihrer beider Namen, das heißt, den Initialen. Es kann also für die Leute hier kaum ein Geheimnis gewesen sein, daß Sie zusammen in Kairo waren.«
    »Bitte«, sagte sie müde, »Sie wissen doch, was ich meine. Ich möchte nicht, daß hier jemand erfährt, was los ist. Sie waren doch dabei, als ich seine Leiche gesehen habe. Sie wissen es also.«
    »Warum möchten Sie das nicht? Sind Sie mit einem anderen verheiratet?«
    »Nein«, antwortete sie und schüttelte entnervt den Kopf, weil er sie nicht verstand. »Es wäre nicht so schlimm, wenn es nur das wäre. Aber ich bin Offizier, und Mike war nur Unteroffizier.« Sie sah seine Verwirrung. »Das ist Fraternisierung und gehört zu den Dingen, die uns verboten sind.« Sie schwieg lange. »Zu den vielen Dingen.«
    »Was würde denn passieren, wenn die es herausbekämen?« fragte er, wobei er es nicht für nötig hielt, näher zu definieren, wer »die« waren.
    Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Einer von uns wäre vielleicht zum Rapport bestellt, womöglich bestraft worden. Vielleicht sogar versetzt. Aber das ist ja wohl kaum noch von Belang, oder?« meinte sie und sah ihm direkt ins Gesicht.
    »Nein, leider nicht. Könnte es trotzdem Ihrer Karriere schaden?«
    »In sechs Monaten scheide ich aus der Army aus, Mr. Brunetti. Sie würden sich jetzt nicht mehr dafür interessieren, und wenn doch, glaube ich nicht, daß es mir viel anhaben könnte. Ich will nicht Karriere machen, jedenfalls nicht in der Armee, aber sie sollen es trotzdem nicht erfahren. Ich will einfach raus und zurück zu meinem Leben.« Sie hielt kurz inne, blickte ihn prüfend an und fuhr dann fort: »Die Armee hat mich Medizin studieren lassen. Das hatte ich selbst nicht finanzieren können, und meine Familie auch nicht. Sie haben mir also vier Jahre Ausbildung bezahlt, und jetzt habe ich es ihnen mit vier Jahren Arbeit zurückbezahlt. Das sind acht Jahre, Mr. Brunetti, acht Jahre. Wahrscheinlich sollte ich nicht sagen, daß ich zu meinem Leben zurückwill. Ich will erst mal eines anfangen.«
    »Was wollen Sie tun? Mit diesem Leben,

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