Brunetti 02 - Endstation Venedig
der Zahnklinik arbeitet. Der ist Röntgentechniker und hat mir erzählt, Foster sei an einem Freitagnachmittag zu ihm ins Labor gekommen und habe ihn gefragt, ob er ihm übers Wochenende seine Marke leiht.«
»Seine Marke?«
»Den Dosimeter. Die nennen das Ding ›Marke‹. Es ist so ein kleiner Anhänger, den alle tragen müssen, die mit Röntgenstrahlen zu tun haben. Wenn man zuviel Strahlung abkriegt, verfärbt er sich.« Brunetti nickte, er wußte Bescheid. »Also, jedenfalls hat mein Bekannter ihm das Ding übers Wochenende geliehen und am Montagmorgen zurückbekommen. Wie versprochen.«
»Und der Sensor?«
»Hatte sich nicht verändert. Das Ding hatte immer noch dieselbe Farbe wie vorher.«
»Warum glauben Sie, daß er es sich aus diesem Grund geliehen hatte?«
»Sie kannten ihn nicht, oder?« fragte er Brunetti, der den Kopf schüttelte. »Er war ein komischer Kauz. Richtig ernst. Ich meine, er hat seine Arbeit wirklich ernst genommen, oder eigentlich alles. Ich glaube, er war auch religiös, aber nicht so wie diese verrückten Wiedergeborenen. Wenn er einmal etwas als richtig erkannt hatte, konnte man ihn nicht davon abbringen, es auch zu tun. Und er hatte es sich in den Kopf gesetzt, daß...« Hier hielt er inne. »Ich weiß nicht genau, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, aber er wollte herausfinden, wo Danny mit diesem Zeug in Berührung gekommen war, auf das er allergisch reagierte.«
»War es das? Eine Allergie?«
»Das haben sie uns gesagt, als er aus Deutschland zurückkam. Sein Arm sieht schrecklich aus, aber die Ärzte da oben meinen, daß es ziemlich gut verheilt. Könnte vielleicht ein Jahr dauern, aber die Narbe verschwindet, oder wenigstens verblaßt sie.«
Ambrogiani sprach zum erstenmal. »Hat man Ihnen gesagt, wogegen er allergisch ist?«
»Nein, das konnten sie nicht feststellen. Sie meinten, daß es wahrscheinlich der Saft von irgendeinem Baum war, der in den Bergen dort wächst. Alle möglichen Tests haben sie mit dem Jungen gemacht.« Sein Gesicht bekam einen weichen Ausdruck, und seine Augen leuchteten vor Stolz. »Hat nie geklagt, der Junge. Hat das Zeug zum richtigen Mann. Bin ganz schön stolz auf ihn.«
»Aber wogegen er allergisch ist, hat man Ihnen nicht gesagt?« wiederholte der Carabiniere.
»Nee. Und dann haben diese Knallköpfe auch noch Dannys Krankenblatt verschlampt, jedenfalls die Unterlagen aus Deutschland.«
Bei diesen Worten tauschten Brunetti und Ambrogiani einen Blick, und Brunetti fragte: »Wissen Sie, ob Foster die Stelle gefunden hat?«
»Nein. Er ist ja zwei Wochen nachdem er sich dieses Dosimeter-Dings ausgeliehen hatte, umgebracht worden, und ich hatte keine Gelegenheit mehr, noch mal mit ihm zu reden. Ich weiß es also nicht. Es tut mir leid, daß ihm das passiert ist. Er war ganz in Ordnung, und daß seine Freundin sich das alles so zu Herzen genommen hat, tut mir auch leid. Ich wußte ja nicht, daß die beiden so...« Ihm fehlte das richtige Wort, und er brach ab.
»Glauben die Leute hier, daß Dr. Peters sich wegen Foster eine Überdosis gespritzt hat?«
Diesmal war es der Sergeant, der überrascht war. »Sonst würde die ganze Geschichte ja keinen Sinn ergeben, oder? Sie war doch Ärztin. Wenn jemand wußte, wieviel von dem Zeug man sich spritzen muß, dann doch wohl sie.«
»Ich nehme es an«, sagte Brunetti, dem seine Worte wie Verrat vorkamen.
»Aber eine komische Sache ist es doch«, meinte der Amerikaner. »Wenn ich nicht so mit meinen Sorgen um Danny beschäftigt gewesen wäre, hätte ich Foster vielleicht doch noch etwas sagen können, was ihm geholfen hätte, die Stelle zu finden, die er suchte.«
»Und was ist das?« fragte Brunetti, bemäht, seine Frage ganz beiläufig klingen zu lassen.
»An dem Tag da oben in den Bergen habe ich zwei von den Lastwagen gesehen, die auch hierher kommen. Sie sind in eine Schotterstraße eingebogen, die ein Stück weiter unten von der Straße wegführte. Als Foster mich fragte, habe ich einfach nicht daran gedacht. Ich wünschte, es wäre mir eingefallen. Damit hatte ich ihm womöglich viel Mühe ersparen können. Er hätte nur Mr. Gamberetto fragen müssen, wo seine Laster an dem Tag waren, und er hätte die Stelle gefunden.«
»Mr. Gamberetto?« erkundigte Brunetti sich höflich.
»Ja, das ist unser Vertragsspediteur. Seine Lastwagen kommen zweimal die Woche, um Problemmüll abzuholen. Medizinabfälle aus dem Krankenhaus, wissen Sie, und aus der Zahnklinik. Ich glaube, er nimmt auch das Zeug
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