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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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daß Signor Mascari zur Zeit seines Todes ein Kleid trug, kann man nicht unbedingt schließen, daß er ein Transvestit war. Genauer gesagt läßt sich daraus noch nicht einmal schließen, daß es in seinem Leben auch nur die kleinste Anomalie gab.«
    »Das kann ich unmöglich glauben«, sagte Ravanello.
    »Ihre Investoren anscheinend auch nicht.«
    »Ich finde es aus anderen Gründen unmöglich, Commissario«, sagte Ravanello, blickte auf den Ordner, klappte ihn zu und legte ihn zur Seite.
    »Ja?«
    »Es ist nicht leicht, darüber zu sprechen«, sagte er, nahm den Ordner und legte ihn auf die andere Seite seines Schreibtisches.
    Als er nichts weiter sagte, drängte Brunetti in etwas sanfterem Ton: »Reden Sie weiter, Signor Ravanello.«
    »Ich war Leonardos Freund. Vielleicht der einzige enge Freund.« Er sah Brunetti an, dann wieder auf seine Hände. »Ich habe es gewußt«, sagte er leise.
    »Was haben Sie gewußt, Signor Ravanello?«
    »Ich wußte, daß er sich verkleidete. Und von den Jungen.« Er wurde rot, als er das sagte, aber er hielt den Blick starr auf seine Hände gerichtet.
    »Woher haben Sie das gewußt?«
    »Leonardo hat es mir erzählt.« Er hielt inne und holte tief Luft. »Wir haben zehn Jahre zusammengearbeitet. Unsere Familien kennen sich. Leonardo ist der Pate meines Sohns. Ich glaube nicht, daß er andere Freunde hatte. Keine engen jedenfalls.« Hier brach Ravanello ab, als ob das alles wäre, was er sagen konnte.
    Brunetti ließ ein paar Sekunden verstreichen und fragte dann: »Wie kam es dazu, daß er es Ihnen erzählt hat? Und was hat er Ihnen erzählt?«
    »Wir waren hier, an einem Sonntag, nur wir beide. Die Computer waren am Freitag und Samstag ausgefallen und wir konnten erst am Sonntag wieder zu arbeiten anfangen. Wir saßen an den Terminals draußen im Hauptbüro, da drehte er sich einfach um und sagte es mir.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Es war sehr merkwürdig, Commissario. Er hat nur zu mir herübergeschaut. Ich sah es und dachte, er wolle mir etwas sagen oder etwas zu der Transaktion fragen, die er gerade eingab, also hielt ich auch inne und sah ihn an.« Ravanello schwieg, während er die Szene heraufbeschwor. »Er sagte: ›Übrigens, Marco, ich liebe Jungen.‹ Dann hat er sich wieder über seinen Computer gebeugt und weitergearbeitet, als hätte er mir nur eine Buchungsnummer oder einen Aktienkurs angegeben. Es war sehr eigenartig.«
    Brunetti ließ das Schweigen danach etwas im Raum stehen, bevor er fragte: »Hat er das je erklärt oder noch etwas hinzugefügt?«
    »Ja. Als wir an dem. Nachmittag fertig waren, habe ich ihn gefragt, was er gemeint hat, daraufhin hat er es wiederholt.«
    »Was?«
    »Daß er Jungen mag, keine Frauen.«
    »Jungen oder Männer?«
    »Ragazzi. Jungen.«
    »Und das Verkleiden, hat er sich dazu geäußert?«
    »Damals nicht. Aber einen Monat später. Wir saßen im Zug auf der Fahrt zu unserer Hauptstelle in Verona, und in Padua standen solche Typen auf dem Bahnsteig. Da hat er es mir erzählt.«
    »Wie haben Sie darauf reagiert?«
    »Ich war natürlich schockiert. Ich hätte nie gedacht, daß Leonardo so veranlagt war.«
    »Haben Sie ihn gewarnt?«
    »Wovor?«
    »Nun, wegen seiner Stellung bei der Bank.«
    »Natürlich. Ich habe ihm gesagt, wenn jemand davon errühre, wäre seine Karriere im Eimer.«
    »Warum? Ich bin sicher, es arbeiten viele Homosexuelle bei Banken.«
    »Das ist es nicht. Es ist das Verkleiden. Und die Prostituierten.«
    »Das hat er Ihnen erzählt?«
    »Ja. Er sagte, daß er zu ihnen geht und manchmal dasselbe tut.«
    »Was tut?«
    »Wie immer man das nennt - sich anbietet? Er hat Geld von Männern genommen. Ich habe ihm gesagt, das könnte ihn vernichten.« Ravanello wartete einen Moment, dann fügte er hinzu: »Und das hat es dann auch.«
    »Signor Ravanello, warum haben Sie davon nichts der Polizei gesagt?«
    »Ich habe es Ihnen eben gesagt, Commissario. Ich habe Ihnen alles gesagt.«
    »Ja, aber ich bin hergekommen, um Sie zu befragen. Sie haben sich nicht mit uns in Verbindung gesetzt.«
    »Ich sah keinen Grund, seinen Ruf zu zerstören«, erklärte Ravanello schließlich.
    »Mir scheint, da war nicht mehr viel zu zerstören, wie ich dem entnehme, was Sie von Ihren Kunden erzählt haben.«
    »Ich hielt es nicht für wichtig.« Und auf Brunettis Blick hin setzte er hinzu: »Ich meine, alle haben es offenbar sowieso schon geglaubt. Da sah ich keinen Anlaß, sein Vertrauen zu brechen.«
    »Ich habe den Eindruck, daß Sie mir etwas

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