Brunetti 03 - Venezianische Scharade
jederzeit Gallo oder Vianello fragen.
»Kennen Sie den Parkplatz vor dem Tunnel, der zum Bahnhof führt?«
Es war einer der wenigen Plätze im Großraum Venedig, wo man gebührenfrei parken konnte. Man mußte seinen Wagen nur dort oder entlang der baumbestandenen Straße, die auf den Tunnel zuführte, abstellen, kam durch die Unterführung zu den Gleisen, wo die Züge nach Venedig abfuhren, und war nach zehn Minuten Bahnfahrt dort, ohne Parkgebühren, ohne Warten in der Schlange vor Tronchetto.
»Ja, ich weiß, wo er ist.«
»Ich komme dorthin, heute abend.«
»Um welche Zeit?«
»Spät. Ich muß vorher noch etwas erledigen und weiß nicht genau, wie lange das dauert.«
»Um welche Zeit also?«
»Ich bin um eins da.«
»Und wo genau?«
»Wenn Sie aus dem Tunnel kommen, gehen Sie die erste Straße hinunter, dann die nächste links. Ich parke dort auf der rechten Seite, in einem hellblauen Panda.«
»Warum haben Sie dann nach dem Parkplatz gefragt?«
»Nur so. Ich wollte wissen, ob Sie ihn kennen. Ich parke da lieber nicht. Er ist mir zu hell beleuchtet.«
»Also gut, Signor Crespo. Ich komme.«
»Gut«, sagte Crespo und legte auf, bevor Brunetti noch etwas hinzufügen konnte.
Wer, so fragte sich Brunetti, hatte wohl Signor Crespo zu diesem Anruf veranlaßt? Er glaubte nicht eine Sekunde daran, daß Crespo aus eigenem Antrieb angerufen hatte - jemand wie Crespo hätte es nie ein zweites Mal versucht -, aber das verringerte in keiner Weise seine Neugier zu erfahren, was wirklich hinter dem Anruf steckte. Am wahrscheinlichsten war der Schluß, daß jemand eine Drohung an den Mann bringen wollte, vielleicht auch mehr, und dazu gab es keine bessere Gelegenheit, als Brunetti um ein Uhr nachts auf die Straße zu locken.
Er rief bei der Questura in Mestre an und verlangte Sergente Gallo, nur um zu hören, daß der für ein paar Tage nach Mailand gefahren sei, um vor Gericht auszusagen. Ob er mit Sergente Buffo sprechen wolle, der Sergente Gallos Arbeit solange übernommen habe? Brunetti verneinte und legte auf.
Er rief Vianello an und bat ihn, in sein Büro heraufzukommen. Als der Sergente hereinkam, bot ihm Brunetti einen Stuhl an und berichtete ihm dann von Crespos Anruf und seinem eigenen in Mestre. »Was halten Sie davon?« fragte er schließlich.
»Also, ich würde sagen, da versucht Sie jemand aus Venedig herauszulocken, wo Sie auf offener Straße schlecht geschützt sind. Und wenn Sie Schutz brauchen, müssen unsere Leute das übernehmen.«
»Was könnten die vorhaben?«
»Sie könnten jemanden in ein Auto setzen, aber eigentlich müßten sie wissen, daß wir Leute in der Nähe haben. Oder ein vorbeifahrendes Auto oder Motorrad, entweder um Sie zu überfahren, oder um auf Sie zu schießen.«
»Oder eine Bombe?« fragte Brunetti und erschauerte unwillkürlich beim Gedanken an die Fotos, die er von den Bombenanschlägen auf Politiker und Richter gesehen hatte.
»Nein, ich glaube nicht, daß Sie so wichtig sind«, sagte Vianello. Nicht sehr schmeichelhaft, aber immerhin ein Trost.
»Danke. Dann rechne ich wohl am ehesten damit, daß einer im Auto vorbeifährt.«
»Also, was machen wir?«
»Ich hätte gern Leute in mindestens zwei Häusern, einem am Anfang und einem am Ende der Straße. Und einen auf dem Rücksitz eines Autos, falls Sie einen Freiwilligen kriegen können. Es wird sicher die Hölle, bei dieser Hitze im geschlossenen Wagen. Das wären schon drei. Mehr kann ich wohl kaum einsetzen.«
»Also, ich passe auf keinen Rücksitz, und nur in einem Haus herumsitzen und zusehen müssen, liegt mir nicht, aber vielleicht könnte ich gleich um die Ecke parken, wenn sich eine von unseren Beamtinnen überreden läßt, ein Weilchen mit mir herumzuschmusen.«
»Vielleicht stellt sich ja Signorina Elettra zur Verfügung«, sagte Brunetti und lachte.
Vianellos Ton ließ an Schärfe nichts zu wünschen übrig. »Ich mache keine Witze, Commissario. Ich kenne die Straße; meine Tante aus Treviso läßt immer ihr Auto da stehen, wenn sie uns besucht, und ich bringe sie jedesmal hin, wenn sie wieder abfährt. Dort sitzen oft Leute in Autos, so daß einer oder zwei mehr gar nicht auffallen.«
Brunetti lag schon auf der Zunge zu fragen, wie wohl Nadia das sehen würde, aber er besann sich eines Besseren und sagte statt dessen: »Also gut, aber sie muß freiwillig mitmachen. Wenn es kritisch wird, habe ich nicht gern eine Frau dabei.« Bevor Vianello antworten konnte, setzte Brunetti hinzu: »Auch wenn sie
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