Brunetti 03 - Venezianische Scharade
Polizistin ist.«
Hob Vianello bei diesen Worten etwa die Augen zur Decke? Brunetti hatte den Eindruck, fragte aber nicht nach. »Noch etwas, Sergente?«
»Sie sollen um ein Uhr dort sein?«
»Ja.«
»So spät geht kein Zug mehr. Sie müssen also den Bus nehmen und vom Bahnhof aus durch die Unterführung gehen.«
»Und wie machen wir's mit der Rückfahrt nach Venedig?« wollte Brunetti wissen.
»Das hängt davon ab, was passiert, nehme ich an.«
»Ja, das nehme ich auch an.«
»Ich sehe mal, ob ich jemanden finde, der sich bereiterklärt, auf dem Rücksitz mitzufahren«, sagte Vianello.
»Wer hat diese Woche Nachtdienst?«
»Riverre und Alvise.«
»Oh«, sagte Brunetti nur, aber das sprach Bände.
»Sie stehen auf dem Dienstplan.«
»Ich denke, die beiden postieren Sie dann besser in den Häusern.« Keiner von ihnen wollte aussprechen, daß jeder dieser beiden auf dem Rücksitz eines Autos schlicht einschlafen würde. Natürlich konnte das auch passieren, wenn man sie in einem Haus postierte, aber da wären die Bewohner vielleicht neugierig genug, um sie wachzuhalten.
»Und die anderen? Meinen Sie, daß Sie Freiwillige bekommen?«
»Ohne weiteres«, versicherte Vianello. »Rallo will bestimmt mitkommen, und dann frage ich Maria Nardi. Ihr Mann ist für eine Woche zu irgendeiner Fortbildung in Mailand, da macht sie es vielleicht ganz gern. Außerdem sind es Überstunden, oder?«
Brunetti nickte und fügte dann hinzu: »Vianello, sagen Sie ihnen klipp und klar, daß dieser Einsatz unter Umständen gefährlich werden kann.«
»Gefährlich? In Mestre?« fragte Vianello und tat den Gedanken mit einem Lachen ab. Dann fragte er: »Wollen Sie ein Funkgerät?«
»Nein, ich glaube, das ist nicht nötig, nicht, wenn vier von euch in der Nähe sind.«
»Na ja, mindestens zwei«, verbesserte Vianello, womit er Brunetti der Peinlichkeit enthob, abfällig von den unteren Rängen sprechen zu müssen.
»Wenn wir uns schon die Nacht um die Ohren schlagen, können wir ja wohl für ein paar Stunden nach Hause gehen«, meinte Brunetti mit einem Blick auf die Uhr.
»Dann sehen wir uns dort, Commissario«, sagte Vianello und stand auf.
Wie Vianello gesagt hatte, fuhr um die Zeit kein Zug mehr, der Brunetti zum Bahnhof in Mestre hätte bringen können, so daß er sich mit dem Einserbus zufriedengeben mußte, dem er als einziger Passagier gegenüber dem Bahnhof entstieg.
Er ging die Stufen zum Bahnhof hinauf, dann durch die Unterführung unter den Gleisen und kam auf der anderen Seite des Bahnhofs wieder heraus. Es war eine ruhige Straße mit Bäumen rechts und links; hinter ihm lag der gut beleuchtete Parkplatz, jetzt voller Autos, die über Nacht dort abgestellt waren. Auch vor ihm parkte zu beiden Seiten ein Wagen hinter dem anderen, schwach erhellt von den wenigen Straßenlaternen. Brunetti hielt sich rechts, wo weniger Bäume standen und es darum heller war. Er ging bis zur ersten Ecke, blieb stehen und sah sich um. Etwa vier Autos weiter sah er auf der anderen Straßenseite ein Pärchen in leidenschaftlicher Umarmung, aber der Kopf des Mannes wurde durch den der Frau verdeckt, so daß er nicht sagen konnte, ob es Vianello oder ein anderer verheirateter Mann bei einem Schäferstündchen war.
Er blickte nach links die Straße hinunter und betrachtete die Häuser zu beiden Seiten. In einem fiel das mattgraue Licht eines Fernsehers durch die Fenster im unteren Stock; die übrigen waren dunkel. Riverre und Alvise standen an den Fenstern zweier dieser Häuser, aber dorthin wollte er lieber nicht sehen, er befürchtete, sie könnten das als ein Zeichen verstehen und herausstürzen, um ihm zu Hilfe zu eilen.
Er bog um die Ecke und suchte auf der rechten Seite nach einem hellblauen Panda. Bis zum Ende der Straße sah er kein Auto, auf das die Beschreibung paßte, darum drehte er um und ging zurück. Eine große Mülltonne an der Ecke fiel ihm ins Auge, und er wechselte auf die gegenüberliegende Seite, im Kopf die Bilder von den traurigen Überresten des Autos von Richter Falcone. Ein Wagen bog vom Kreisverkehr kommend in die Straße ein und wurde im Näherkommen langsamer. Brunetti zog sich in den Schutz zweier geparkter Wagen zurück, doch das Auto fuhr vorbei und auf den Parkplatz. Der Fahrer stieg aus, schloß seinen Wagen ab und verschwand in der Bahnhofunterführung.
Nach zehn Minuten machte Brunetti denselben Weg noch einmal und schaute diesmal in jeden geparkten Wagen. In einem lag hinten auf dem Boden eine
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