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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Corriere della Sera von dem Mord an einem relativ unbedeutenden prostituto travestito schnell auf den an einem bekannten venezianischen Banker. In dem Artikel war von »örtlichen Quellen« die Rede, aus denen verlaute, Mascaris »Doppelleben« sei in bestimmten Kreisen allgemein bekannt gewesen. Sein Tod sei darum schlicht das unausweichliche Resultat der »Spirale des Lasters«, in die seine Schwäche sein Leben verwandelt habe.
    Diese »Quellen« interessierten Brunetti. Er ließ sich mit dem römischen Büro der Zeitung verbinden und verlangte den Verfasser des Artikels. Nachdem dieser am Apparat war und erfahren hatte, daß Brunetti ein Commissario der Polizei war und wissen wollte, von wem er die Informationen für seinen Artikel hatte, erklärte er, daß er die Quelle nicht preisgeben könne, daß zwischen einem Journalisten und jenen, die mit ihm sprachen und ihn lasen, ein ebenso selbstverständliches wie absolutes Vertrauen herrschen müsse, und daß es außerdem gegen die höchsten Prinzipien seines Berufsstandes verstoße, seine Quellen preiszugeben. Es dauerte mindestens drei Minuten, bis Brunetti merkte, daß der Mann es ernst meinte und tatsächlich glaubte, was er sagte.
    »Wie lange arbeiten Sie schon bei der Zeitung?« unterbrach ihn Brunetti.
    Überrascht, daß er mitten in der weitschweifigen Erläuterung seiner Prinzipien, Ziele und Ideale unterbrochen wurde, hielt der Reporter kurz inne und antwortete dann: »Vier Monate. Wieso?«
    »Können Sie das Gespräch zum Empfang zurückstellen, oder muß ich neu wählen?« fragte Brunetti. »Ich kann Sie zurückstellen. Aber warum?« »Ich möchte mit Ihrem Chefredakteur sprechen.« Darauf wurde die Stimme des Mannes unsicher, dann mißtrauisch; er witterte Doppelzüngigkeit und Mauschelei seitens der Staatsgewalt. »Commissario, ich möchte Sie warnen, daß meine Leser unverzüglich von jedem Versuch in Kenntnis gesetzt werden, die Tatsachen, die ich in meinem Artikel enthüllt habe, zu beschönigen oder fragwürdig erscheinen zu lassen. Ich weiß nicht, ob Sie schon gemerkt haben, daß in diesem Lande ein neues Zeitalter angebrochen ist, daß die Bedürfnisse der Menschen nicht länger...« Brunetti drückte auf den Knopf an seinem Hörer, und wählte, als das Freizeichen kam, erneut die Sammelnummer der Zeitung. Nicht einmal die Questura sollte dafür bezahlen müssen, daß er sich solchen Unsinn anhörte, und schon gar nicht zum Ferntarif.
    Als er schließlich mit dem Chefredakteur der Nachrichtenredaktion verbunden war, entpuppte der sich als Giulio Testa, ein Mann, mit dem Brunetti in der Vergangenheit schon zu tun gehabt hatte, als beide in Neapel unter ihrem Exil litten.
    »Giulio, hier spricht Guido Brunetti.«
    »Ciao, Guido, wie ich gehört habe, bist du wieder in Venedig.«
    »Ja. Deshalb rufe ich auch an. Einer von euren Reportern«, Brunetti sah nach und las den Namen vor, »Lino Cavaliere, hat heute einen Artikel über den Transvestiten veröffentlicht, der in Mestre ermordet wurde.«
    »Ja. Ich habe ihn heute nacht gelesen. Was ist damit?«
    »Er spricht da von ›örtlichen Quellen‹ aus denen er erfahren haben will, Mascari - das ist der andere, der vergangene Woche umgebracht wurde - habe ein ›Doppelleben‹ geführt, und das sei hier in Venedig bekannt. Nette Formulierung, Giulio, ›Doppelleben‹.«
    »Lieber Himmel, hat er das doch reingenommen?«
    »Es steht alles hier, Giulio - ›örtliche Quellen‹ ›Doppelleben‹.«
    »Ich röste ihn bei lebendigem Leib«, schrie Testa in den Hörer, dann wiederholte er es noch einmal für sich.
    »Heißt das, es gibt keine ›örtlichen Quellen‹?«
    »Nein. Er hat so etwas wie einen anonymen Anruf von einem Mann bekommen, der behauptete, zum Kundenkreis von Mascari gehört zu haben. Ein Freier, oder wie immer man sie nennt.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Daß er Mascari seit Jahren gekannt, daß er ihn gewarnt habe vor einigen Dingen, die er tat, vor einigen Kunden, die er hatte. Er sagte, es sei ein offenes Geheimnis bei euch oben.«
    »Giulio, der Mann war fast fünfzig.«
    »Ich bringe ihn um. Glaub mir, Guido, ich wußte nichts davon. Ich habe ihm gesagt, er soll das nicht reinbringen. Ich bringe den kleinen Scheißer um.«
    »Wie konnte er nur so dämlich sein?« fragte Brunetti, obwohl er wußte, daß der Gründe für menschliche Dummheit Legion waren.
    »Er ist ein Kretin, hoffnungslos«, sagte Testa resigniert, als würde ihm das täglich vor Augen geführt.
    »Was macht er

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