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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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dann bei euch? Ihr habt immer noch den Ruf, die beste Zeitung im Lande zu sein.« Brunettis Wortwahl war meisterlich, seine persönliche Skepsis eindeutig, wenn auch nicht offen erkennbar.
    »Er ist mit der Tochter dieses Möbelhändlers verheiratet, der jede Woche eine doppelseitige Anzeige bei uns schaltet. Wir hatten keine Wahl. Zuerst war er in der Sportredaktion, aber eines Tages erwähnte er, wie erstaunt er gewesen sei zu hören, daß amerikanischer Football etwas ganz anderes sei als unser Fußball. Daraufhin habe ich ihn bekommen.« Testa hielt inne, und beide Männer hingen ihren Gedanken nach. Brunetti fand es seltsam beruhigend, daß er nicht der einzige war, der sich mit Leuten wie Riverre und Alvise herumzuschlagen hatte. Testa fand offenbar keinen solchen Trost und sagte nur: »Ich werde versuchen, ihn der politischen Redaktion aufs Auge zu drücken.«
    »Genau das Richtige, Giulio. Viel Glück«, sagte Brunetti, bedankte sich für die Information und legte auf.
    Obwohl er so etwas vermutet hatte, überraschte ihn die offensichtliche Plumpheit des Ganzen. Denn nur durch einen außergewöhnlichen Glücksfall konnte die »örtliche Quelle« an einen Reporter geraten sein, der so leichtgläubig war, das Gerücht über Mascari zu übernehmen, ohne sich die Mühe zu machen und nachzurecherchieren, ob etwas Wahres dahintersteckte. Und nur jemand, der sehr vorschnell handelte - oder große Angst hatte -, würde versuchen, diese Geschichte zu verbreiten, als ließe sich dadurch verhindern, daß die geschickt konstruierte Legende von Mascaris Prostitution aufflog.
    Die polizeiliche Untersuchung des Mordes an Crespo war bisher ebenso unergiebig wie die Presseberichterstattung. Im Hause hatte niemand gewußt, womit Crespo seinen Lebensunterhalt verdiente; manche dachten, er sei Ober in einer Bar, während andere vermuteten, daß er als Nachtportier in einem Hotel in Venedig arbeitete. Niemand hatte an den Tagen vor dem Mord etwas Ungewöhnliches gesehen, und keiner konnte sich erinnern, daß überhaupt je etwas Ungewöhnliches in dem Haus passiert war. Ja, Signor Crespo habe viel Besuch gehabt, aber er sei aufgeschlossen und freundlich gewesen, und da sei es doch ganz einleuchtend, daß ihn Leute besuchen kamen, oder?
    Die medizinische Untersuchung war eindeutiger gewesen: Der Tod war durch Strangulation verursacht worden, wobei der Mörder von hinten gekommen war und ihn wahrscheinlich überrascht hatte. Kein Hinweis auf vorhergehenden Sexualverkehr, keine Spuren unter den Fingernägeln, dafür genügend Fingerabdrücke in der Wohnung, um die Experten tagelang zu beschäftigen.
    Brunetti hatte zweimal in Bozen angerufen, aber beim ersten Mal war der Anschluß des Hotels besetzt, und beim zweiten war Paola nicht in ihrem Zimmer gewesen. Er wollte es gerade noch einmal versuchen, als er durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen wurde. Er rief »avanti«, und Signorina Elettra kam herein und legte ihm eine Mappe auf den Schreibtisch.
    »Dottore, ich glaube, unten ist jemand, der Sie sprechen möchte.« Sie sah sein Erstaunen darüber, daß sie ihm diese Mitteilung machte, ja es überhaupt wußte, und erklärte eilig: »Ich war gerade bei Anita, um ihr Unterlagen zu bringen, und hörte ihn mit der Wache sprechen.«
    »Wie sieht er aus?«
    Sie lächelte. »Ein junger Mann. Sehr gut angezogen.« Aus dem Munde von Signorina Elettra, heute in einem Kostüm aus malvenfarbener Seide, die offensichtlich von ganz besonders talentierten Raupen stammte, war das in der Tat ein hohes Lob. »Und sehr attraktiv«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu, in dem leises Bedauern darüber lag, daß der junge Mann Brunetti sprechen wollte und nicht sie.
    »Vielleicht könnten Sie nach unten gehen und ihn heraufholen«, schlug Brunetti vor, der damit ebenso die Begegnung mit diesem Wundertier beschleunigen wie Signorina Elettra Gelegenheit geben wollte, mit ihm zu reden.
    Sie ging, jetzt wieder mit dem normalen Lächeln für gewöhnliche Sterbliche. Nach wenigen Minuten war sie zurück, klopfte und trat mit den Worten: »Commissario, der Herr möchte gern mit Ihnen sprechen«, ins Zimmer.
    Ein junger Mann kam hinter ihr herein, und Signorina Elettra trat zur Seite, damit er zu Brunettis Schreibtisch vorgehen konnte. Brunetti stand auf und reichte seinem Besucher über den Schreibtisch hinweg die Hand. Der junge Mann drückte sie, sein Händedruck war fest, seine Hand kräftig und muskulös.
    »Bitte, nehmen Sie Platz, Signore«, sagte

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