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Brunetti 04 - Vendetta

Brunetti 04 - Vendetta

Titel: Brunetti 04 - Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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dann?« fragte Brunetti.
    »Dann sagte er, daß er mir eine Stelle in einer Bar besorgt habe, und da brauchte ich nur zu arbeiten, bis das Geld zurückgezahlt sei.«
    »Und?«
    »Eduardo hat mich zu dem Barbesitzer gebracht, und der sagte, ich könnte die Stelle haben. Ich sollte, glaube ich, eine Million Lire im Monat bekommen, aber dann hat der Mann gesagt, er müsse etwas für das Zimmer über der Bar abziehen, in dem ich wohnen könnte. Ich könnte sonst nirgends wohnen, weil ich doch keinen Paß und kein Visum hätte. Und für das Essen und die Kleidung, die er mir gebe, müsse er auch was abziehen. Eduardo hat mir nie meine Koffer gebracht, ich besaß also nur das, was ich am Leib hatte. Es lief darauf hinaus, daß ich nur noch etwa fünfzigtausend Lire im Monat verdiente. Ich konnte die Sprache nicht sprechen, aber rechnen konnte ich; und ich wußte, wenn ich dieses Geld meiner Tante schickte, wären es nicht einmal 30 Dollar. Das ist nicht viel zum Leben für eine alte Frau und ein Baby, nicht einmal in Brasilien.«
    Es klopfte, und die Tür öffnete sich. Brunetti erhob sich und nahm Gravini ein blechernes Tablett ab. Als er damit zu Mara zurückging, zog sie den dritten Stuhl zwischen sich und ihn und bedeutete Brunetti, er solle das Tablett daraufstellen. Sie taten beide Zucker in ihren Kaffee. Brunetti wies auf den Teller mit Sandwichs, aber sie schüttelte den Kopf.
    »Erst wenn ich fertig bin«, sagte sie und trank einen Schluck von ihrem Kaffee. »Ich war nicht dumm; ich wußte, welche Chance mir blieb. Also habe ich in der Bar gearbeitet. Die ersten Male war es schlimm, aber dann habe ich mich daran gewöhnt. Das war vor zwei Jahren.«
    »Was hat sich denn zwischen damals und heute abgespielt? Ich meine, wie sind Sie nach Mestre gekommen?« fragte Brunetti.
    »Ich wurde krank. Lungenentzündung, glaube ich. Wie ich diese kalte Witterung hasse.« Sie schauderte schon bei dem bloßen Gedanken daran. »Während ich im Krankenhaus lag, ist die Bar abgebrannt. Jemand hat mir erzählt, es war Brandstiftung. Ich weiß es nicht. Aber ich hoffe es. Als ich dann entlassen werden sollte, ist Franco«, sie deutete mit dem Kopf zur linken Wand, als wüßte sie, daß Franco in der Zelle nebenan war, »gekommen und hat die Rechnung bezahlt und mich hierhergebracht. Seitdem arbeite ich für ihn.« Sie trank den Kaffee aus und stellte die Tasse aufs Tablett zurück.
    Brunetti hatte diese Geschichte schon öfter gehört, als ihm lieb war, aber er hatte sie zum erstenmal ohne jede Spur von Selbstmitleid geschildert bekommen, ohne den Versuch, die Erzählerin als unfreiwilliges Opfer übermächtiger Kräfte darzustellen.
    »Hatte er...«, fragte Brunetti, wobei auch er mit dem Kopf zur selben Wand deutete, obwohl Franco, wie es der Zufall wollte, hinter der gegenüberliegenden Wand saß, »...irgend etwas mit der Bar in Mailand zu tun? Oder mit der, in der Sie jetzt arbeiten? Oder mit Eduardo?«
    Sie starrte zu Boden. »Ich weiß es nicht.« Brunetti sagte nichts, und schließlich fügte sie hinzu: »Ich glaube, er hat mich gekauft. Oder meinen Vertrag.« Sie blickte auf und fragte: »Warum wollen Sie das wissen?«
    Brunetti sah keinen Grund, sie anzulügen. »Wir sind im Zuge anderer Ermittlungen auf die Telefonnummer der Bar gestoßen, in der Sie jetzt arbeiten. Jetzt wollen wir herausfinden, ob da eine Verbindung besteht.«
    »Und worum geht es bei der anderen Ermittlung?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen«, antwortete Brunetti. »Aber bisher hat es nichts mit Ihnen oder Eduardo und dem allen zu tun.«
    »Kann ich Sie etwas fragen?«
    Wenn Chiara das sagte, hatte er die schlechte Angewohnheit, ihr zu antworten, sie dürfe fragen, aber ob sie es könne, müsse sie selbst wissen. Jetzt sagte er jedoch nur: »Natürlich.«
    »Geht es irgendwie um...«, begann sie, hielt dann inne und suchte nach dem richtigen Wort. »Also, um einige von uns, die gestorben sind?«
    »Wen meinen Sie mit ›uns‹?« fragte Brunetti.
    »Huren«, erklärte sie knapp.
    »Nein.« Seine Antwort kam ohne Zögern, und sie glaubte ihm. »Warum fragen Sie?«
    »Aus keinem besonderen Grund. Man hört so manches.« Sie nahm sich ein Sandwich, biß vorsichtig hinein und wischte geistesabwesend die Krümel weg, die über ihre Bluse rieselten.
    »Was hört man denn so?«
    »Dies und das«, sagte sie und biß noch einmal in das Sandwich.
    »Mara«, begann Brunetti, nicht ganz sicher, welchen Ton er anschlagen sollte. »Wenn es etwas gibt, was Sie mir

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