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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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wiederholte er, ohne zu wissen, was er sagen wollte oder wie er es sagen sollte. »Ich habe zwei Spritzen in Raffis Zimmer gefunden.«
    Sie wartete, ob er mehr sagen wollte, dann nahm sie die Zeitung wieder auf und las weiter.
    »Paola, hast du gehört, was ich gesagt habe?«
    »Hmm?« fragte sie, den Kopf zurückgelegt, um die Schlagzeile oben auf der Seite zu lesen.
    »Ich sagte, ich habe zwei Spritzen in Raffis Zimmer gefunden. Ganz unten in einer Schublade.« Er trat durch die Tür und ging auf sie zu, einen Moment von dem irren Drang besessen, ihr die Zeitung aus der Hand zu reißen und auf den Boden zu werfen.
    »Da waren sie also«, sagte sie nur und blätterte um.
    Er setzte sich neben sie aufs Sofa und nahm seine ganze Beherrschung zusammen, bevor er die Hand auf die Zeitung legte und sie ihr langsam auf den Schoß hinunterdrückte. »Was heißt das: ›Da waren sie also‹?« fragte er gepreßt.
    »Guido, was ist denn los mit dir?« erkundigte sie sich, nun ganz ihm zugewandt, nachdem sie die Zeitung nicht mehr vor sich hatte. »Fühlst du dich nicht wohl?«
    Er ballte die Hand zur ärgerlichen Faust, wobei er die Zeitung zerknüllte. »Ich sagte, daß ich zwei Spritzen in Raffis Zimmer gefunden habe. Verstehst du nicht?«
    Sie sah ihn einen Moment mit großen Augen ganz verwundert an, bis sie begriff, was für ihn Spritzen bedeuteten. Ihre Blicke trafen sich, und er sah, wie Raffis Mutter langsam verstand, daß er dachte, ihr Sohn sei drogenabhängig geworden. Ihr Mund verzog sich, ihre Augen weiteten sich, dann warf sie den Kopf zurück und fing an zu lachen. Sie lachte, lachte in den höchsten Tönen und ließ sich seitwärts aufs Sofa kippen, die Augen voller Tränen. Sie wischte sie ab, konnte aber immer noch nicht aufhören zu lachen. »Oh, Guido«, sagte sie, die Hand vor dem Mund in dem vergeblichen Bemühen, sich zu beherrschen. »Oh, Guido, nein, das kann nicht dein Ernst sein. Doch keine Drogen!« Und wieder schüttelte sie ein neuer Lachanfall.
    Brunetti dachte zuerst, das sei die Hysterie echter Panik, aber er kannte Paola zu gut; es war das reine Lachen höchster Belustigung. Mit einer heftigen Gebärde riß er ihr die Zeitung vom Schoß und warf sie auf den Boden. Seine Wut brachte Paola augenblicklich zu sich, und sie setzte sich auf.
    »Guido. I tarli«, sagte sie, als ob das alles erklärte.
    Stand sie auch schon unter Drogen? Was hatten Holzwürmer damit zu tun?
    »Guido«, wiederholte sie sehr sanft und ruhig, als spräche sie zu einem gefährlichen Irren. »Ich habe dir vorige Woche erzählt, daß wir den Holzwurm im Küchentisch haben. Die Beine sind schon ganz durchlöchert. Und die einzige Möglichkeit, sie loszuwerden, ist Gift, das man in diese Löcher spritzt. Weißt du nicht mehr, wie ich dich gebeten habe, am ersten sonnigen Tag mit mir den Tisch auf die Terrasse zu tragen, damit die Dämpfe uns nicht alle umbringen?«
    Doch, daran erinnerte er sich, aber nur undeutlich. Er hatte nicht richtig zugehört, als sie es sagte, aber jetzt wußte er es wieder.
    »Ich habe Raffi gebeten, mir die Spritzen und ein Paar Gummihandschuhe zu besorgen, damit wir den Tisch behandeln können. Ich dachte schon, er hätte es vergessen, aber er hat sie wohl nur in seine Schublade getan. Und dann vergessen, es mir zu sagen.« Sie streckte die Hand aus und legte sie auf seine. »Alles in Ordnung, Guido. Es ist nicht so, wie du dachtest.«
    Er mußte sich an den Sofarücken lehnen, so heiß durchströmte ihn die Erleichterung. Er legte den Kopf an die Rückenlehne und schloß die Augen. Er hätte so gern gelacht über diesen ganzen Widersinn, hätte ebenso wie Paola seine Angst ins Lächerliche ziehen wollen, aber es ging nicht, noch nicht.
    Als er endlich wieder sprechen konnte, drehte er sich zu ihr um und bat: »Sag davon nichts zu Raffi. Bitte, Paola.«
    Sie lehnte sich an ihn, legte die Hand an seine Wange und betrachtete sein Gesicht, und er dachte schon, sie werde es ihm versprechen, aber sie sank ihm hilflos an die Brust und mußte von neuem lachen.
    Der Körperkontakt befreite ihn endlich, und er lachte los, kopfschüttelnd zuerst und verhalten, dann steigerte es sich zu einem wilden Johlen der Erleichterung und reinen Freude. Sie schlang die Arme um ihn und zog sich langsam auf seiner Brust hoch, suchte mit ihren Lippen die seinen.
    Und wie ein jugendliches Pärchen liebten sie sich auf dem Sofa, ohne zu fragen, ob jemand hereinkommen und sie dabei überraschen könnte, ungeachtet der

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