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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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erzählt, daß der Pater sie besuchen wolle, wir ihn aber nicht zu ihr ließen. Ich habe später mit der Krankenschwester gesprochen, und die sagte, sie - ich meine die Testa - sei anscheinend beunruhigt darüber gewesen, daß er sie besuchen wollte, und fast froh, daß wir ihn nicht zu ihr gelassen hatten.« Ein Schnellboot raste rechts an ihnen vorbei und spritzte Wasser in ihre Richtung. Vianello sprang zur Seite, aber das Wasser platschte nur harmlos gegen die Bootswand.
    »Und weiter?« drängte Brunetti.
    »Dann war sie weg. Wir hatten die Wachen abgezogen, aber ein paar von den jungen Burschen und ich haben uns nachts noch in der Nähe aufgehalten, nur um die Dinge im Auge zu behalten.«
    »Wann ist sie verschwunden?«
    »Vor zwei Tagen. Am Nachmittag wollte der Arzt nach ihr sehen, da war sie nicht mehr da. Ihre Sachen waren fort, und von ihr war weit und breit keine Spur.«
    »Was haben Sie unternommen?«
    »Wir haben im Krankenhaus herumgefragt, aber niemand hatte sie gesehen. Sie war einfach verschwunden.«
    »Und ihr Beichtvater?«
    »Er hat einen Tag nach ihrem Verschwinden angerufen - da wußte außer uns noch keiner davon - und sich beschwert, daß wir ihn von ihr fernhielten. Patta glaubte zu dem Zeitpunkt noch, sie wäre im Krankenhaus, und da ist er eingeknickt und hat gesagt, er wolle sich persönlich darum kümmern, daß Cavaletti zu ihr könne. Er hat mich zu sich gerufen und mir gesagt, sie müsse ihn empfangen, und da habe ich ihm erst mitgeteilt, daß sie verschwunden ist.«
    »Was hat er daraufhin getan? Oder gesagt?
    Vianello dachte ein Weilchen nach, bevor er antwortete: »Ich glaube, er war erleichtert, Commissario. Als ich ihm sagte, daß sie weg ist, schien er sich fast zu freuen. Er hat sogar noch in meiner Gegenwart diesen Pater angerufen. Ich mußte selbst mit ihm sprechen und ihm sagen, daß sie weg ist.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wo sie sein könnte?« fragte Brunetti.
    »Nein«, antwortete Vianello, ohne zu zögern.
    »Haben Sie diesen Mann am Lido angerufen, diesen Sassi?«
    »Es war das erste, was ich getan habe. Er hat gesagt, ich soll mir keine Sorgen um sie machen, aber mehr war von ihm nicht zu erfahren.«
    »Meinen Sie, er weiß, wo sie steckt?« fragte Brunetti. Er wollte Vianello nicht drängen und sah zu Paola, die am Ruder stand und mit Bonsuan plauderte.
    Schließlich antwortete Vianello: »Muß er wohl. Aber er traut niemandem und verrät nichts, auch uns nicht.«
    Brunetti nickte und wandte sich von dem Sergente ab. Er blickte übers Wasser zu San Marco hinüber, das rechts von ihnen soeben in Sicht kam. Er erinnerte sich an diesen letzten Tag bei Maria Testa im Krankenhaus, an diese Entschlossenheit in ihrer Stimme, und große Erleichterung überkam ihn, daß sie sich zum Weglaufen entschlossen hatte. Brunetti würde versuchen, sie zu finden, doch er hoffte, daß sie unauffindbar bleiben möge - für ihn wie für jeden anderen. Möge Gott die Hand über sie halten und ihr die Kraft geben für ihre vita nuova.
    Paola, die sah, daß sein Gespräch mit Vianello beendet war, gesellte sich zu ihnen. Genau in dem Moment kam von hinten eine Windbö und wehte ihr die blonden Haare auf beiden Seiten vors Gesicht.
    Lachend hob sie die Arme, fuhr mit den Händen unter die Haare und strich sie wieder zurück, dann schüttelte sie den Kopf hin und her, als wäre sie eben nach langem Tauchen an die Oberfläche gekommen. Als sie die Augen öffnete, sah sie, daß Brunetti sie beobachtete, und lachte noch lauter. Er legte ihr den gesunden Arm um die Schultern und zog sie an sich.
    Von aufwallender Liebe ins Jünglingsalter zurückversetzt, fragte Brunetti: »Hast du mich vermißt?«
    Sie ließ sich anstecken und antwortete: »Geschmachtet habe ich. Die Kinder haben nichts zu essen bekommen. Meine Studenten verkommen aus Mangel an intellektueller Anregung.«
    Vianello ließ sie lieber allein und ging zu Bonsuan hinauf.
    »Was hast du denn so gemacht?« erkundigte sich Brunetti, als hätte sie in den letzten zehn Tagen nicht die meiste Zeit bei ihm im Krankenhaus gesessen.
    Er fühlte durch ihren Körper, wie auf einmal ihre Stimmung umschlug, und drehte sie zu sich herum. »Was ist denn los?«
    »Ich möchte dir das Heimkommen nicht vermiesen«, sagte sie.
    »Das könnte mir nichts und niemand vermiesen, Paola«, meinte er, lächelnd über diese simple Wahrheit. »Sag's mir bitte.«
    Sie sah ihm einen Moment in die Augen und sagte dann: »Ich habe dir doch gesagt, daß ich meinen

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