Brunetti 06 - Sanft entschlafen
Wohnung suchst, was willst du dann von mir? Etwas wissen?«
»Stefania!« flötete er, wobei er mit der zweiten Silbe ihres Namens dasselbe machte wie sie vorhin mit der ersten des seinen. »Glaubst du, ich könnte dich aus irgendeinem anderen Grund anrufen, als um deine liebliche Stimme zu vernehmen?«
»Ach, Guido, du bist einfach unwiderstehlich. Sag schon, was willst du wissen?«
»Ich habe hier drei Wohnungen und den Namen des letzten Eigentümers. Nun möchte ich gern wissen, ob sie zum Verkauf stehen, und wenn ja, was sie wert sind. Oder falls sie im letzten Jahr verkauft wurden, für wieviel.«
»Dafür brauche ich ein paar Tage«, sagte sie.
»Einen?« fragte er.
»Gut, einen. Gib mir die Adressen.«
Brunetti diktierte sie ihr und erklärte dazu, daß alle drei Wohnungen von einer Frau namens Galasso ihrem Neffen vermacht worden seien. Bevor sie auflegten, meinte Stefania noch, falls das Geschäft mit den Deutschen nicht zustande käme, erwarte sie von ihm einen Käufer für die Wohnung. Brunetti versprach, darüber nachzudenken, verkniff sich aber die Bemerkung, daß er sie gern seinem Vice-Questore empfehlen werde.
Das nächste Testament war das der Witwe Renata Cristanti. Was immer ihr verstorbener Marcello Cristanti zu Lebzeiten gemacht hatte, mußte er sehr gut gemacht haben, denn Signora Cristantis Vermächtnis umfaßte eine lange Liste von Wohnungen, vier Läden sowie Anlagen und Ersparnisse im Gesamtwert von über einer halben Milliarde Lire, die sie zu gleichen Teilen ihren sechs Kindern hinterlassen hatte, genau denen, die sich nie dazu bequemt hatten, sie zu besuchen. Während Brunetti das las, ging ihm als erstes die Frage durch den Kopf, wie es wohl zugegangen war, daß eine derart reiche Frau, die sechs Kinder hatte, ihre Tage im Altersheim eines Nonnenordens beschloß, der sich der Armut verschrieben hatte, und nicht in einer hypermodernen Klinik, die über alle neuesten Errungenschaften der geriatrischen Medizin verfügte.
Conte Crivoni hatte seiner Witwe die Wohnung vererbt, in der sie lebte, dazu zwei weitere Wohnungen und verschiedene Geldanlagen, deren Wert sich aus der Lektüre des Testaments allein nicht ergab. Weitere Begünstigte waren nicht genannt.
Wie Signor da Pré gesagt hatte, war alles, was seine Schwester hinterlassen hatte - bis auf die strittige Zuwendung an das Pflegeheim -, an ihn gegangen. In dem Testament, das ihn als Alleinerben nannte, wurden keine Sach- oder Geldwerte im einzelnen aufgeführt, so daß die Höhe des Nachlasses nicht daraus zu ersehen war.
Signor Lerini hatte alles seiner Tochter Benedetta vermacht, und da der gesamte Nachlaß somit an eine einzige Erbin ging, war auch hier der genaue Wert dem Testament nicht zu entnehmen.
Brunettis Sprechanlage summte. »Ja, Vice-Questore?«
»Ich möchte Sie gern kurz sprechen, Brunetti.«
»Ja, Vice-Questore. Ich komme sofort.«
Patta war seit über einer Woche wieder Chef in der Questura, aber bisher war es Brunetti gelungen, jede persönliche Begegnung zu vermeiden. Er hatte zu Pattas Rückkehr einen langen Bericht über die Tätigkeiten der einzelnen commissari verfaßt, darin aber Maria Testas Besuch nicht erwähnt, und erst recht nicht, was er selbst daraufhin unternommen hatte.
Signorina Elettra saß an ihrem Schreibtisch in Pattas kleinem Vorzimmer. Heute trug sie einen ungemein femininen dunkelgrauen Hosenanzug, der fast eine Parodie auf den von Patta bevorzugten Zweireiher mit Nadelstreifen war. Sie hatte, genau wie er, ein weißes Tuch in der Brusttasche stecken und, ebenfalls wie er, eine juwelenbesetzte kleine Nadel im Knoten ihrer Seidenkrawatte.
»Also, Fiat verkaufen«, hörte er sie sagen, als er ins Zimmer trat. Er war so verdutzt, daß er sie fast mit dem Einwurf unterbrochen hätte, er wisse gar nicht, daß sie ein Auto besitze, doch da fuhr sie fort: »Aber kaufen Sie davon sofort tausend Aktien von dieser deutschen Biotechnikfirma, von der ich Ihnen letzte Woche erzählt habe.« Sie hob die Hand, um Brunetti zu bedeuten, daß sie ihm noch etwas sagen wolle, bevor er zu Patta hineinging. »Und schaffen Sie mir noch heute die holländischen Gulden vom Hals. Ein Freund hat mich angerufen und mir erzählt, was der niederländische Finanzminister morgen in der Kabinettssitzung bekanntgeben wird.« Ihr Gesprächspartner am anderen Ende sagte etwas, und sie antwortete ärgerlich: »Es interessiert mich nicht, ob das Verluste bringt. Weg damit.«
Ohne ein weiteres Wort legte sie den
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