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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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auf einer Seite von dem Mercurochrom auf einer Schürfwunde verfärbt, die dort anfing und erst am Kinn endete. Die schwarzen Nähte begannen kurz über ihrem linken Wangenknochen und verschwanden unter dem Verband.
    Unter der leichten blauen Decke wirkte ihr Körper nicht größer als der eines Kindes, gruslig verzerrt durch den dicken Verband um ihre eine Schulter. Brunetti starrte zuerst auf ihren Mund, und als er dort keine Bewegung erkennen konnte, auf ihre Brust. Anfangs war er nicht sicher, doch dann sah er die Decke sich heben und senken, wenn sie leise ein- und ausatmete. Er fühlte sich erleichtert.
    Hinter ihm stöhnte eine der anderen beiden Frauen auf, und die dritte, vielleicht dadurch gestört, rief nach einem Roberto.
    Nach einer Weile ging Brunetti wieder in die Eingangshalle zurück, wo Vianello noch immer Zeitung las. Brunetti nickte ihm zu, und gemeinsam gingen sie zu dem wartenden Boot und führen zur Questura zurück.

9
    B runetti und Vianello waren sich auch ohne Worte darüber einig, daß sie auf ihre Mittagspause verzichten wollten. Kaum in der Questura, wies Brunetti den Sergente an, den Dienstplan zu ändern und dafür zu sorgen, daß vor Maria Testas Zimmer eine Wache aufgestellt wurde, und zwar Tag und Nacht.
    Dann rief er bei der Polizei am Lido an, nannte seinen Namen und den Grund für seinen Anruf und fragte, ob es schon etwas zu dem Unfall mit Fahrerflucht vom Vortag gebe. Sie hatten nichts: keine Zeugen, niemanden, der eine verdächtige Beule am Wagen eines Nachbarn gemeldet hätte, einfach nichts, obwohl die Tageszeitung darüber berichtet und eine Telefonnummer angegeben hatte, unter der sich jeder melden konnte, der etwas über den Unfall wußte. Brunetti hinterließ noch seine Durchwahlnummer, erwähnte nicht zuletzt seinen Dienstgrad und bat um sofortige Mitteilung, sobald man etwas über den Fahrer oder den Wagen wisse.
    Dann zog er seine Schublade auf und kramte darin herum, bis er die vergessene Akte fand. Er nahm sich das erste Testament vor, das von Fausta Galasso, der Frau, die fast alles ihrem Neffen in Turin vermacht hatte, und las aufmerksam die einzelnen Posten; drei Wohnungen in Venedig, zwei Bauernhäuser in der Nähe von Pordenone und drei Sparkonten in der Stadt. Er besah sich die Adressen der drei Wohnungen, aber sie sagten ihm nichts.
    Kurz entschlossen nahm er den Hörer vom Telefon und wählte aus dem Gedächtnis eine Nummer.
    »Immobilien Bucintoro«, meldete sich eine Frauenstimme nach dem zweiten Klingeln.
    »Ciao, Stefania«, sagte er. »Hier Guido.«
    »Ich habe deine Stimme gleich erkannt«, antwortete sie. »Wie geht's dir denn - aber bevor du mir das sagst, möchtest du nicht eine zauberhafte Wohnung in Canareggio kaufen, hundertfünfzig Quadratmeter, zwei Bäder, drei Schlafzimmer, Küche, Eßzimmer und ein Wohnzimmer mit Blick auf die Lagune?«
    »Und wo ist der Pferdefuß?« fragte Brunetti.
    »Guido!« rief sie entrüstet, wobei sie der ersten Silbe seines Namens die dreifache Länge gab.
    »Ist sie vermietet, und die Mieter sind nicht rauszukriegen? Neues Dach fällig? Trockenfäule in den Wänden?« erkundigte er sich.
    Kleine Pause, dann ein kurzes, schockiertes Lachen. »Aequo, aha«, erklärte Stefania. »Wenn das Wasser über einsfünfzig steigt, hast du Fische im Bett.«
    »Gibt keine mehr in der Lagune, Stefania. Alle vergiftet.«
    »Dann eben Seetang. Aber es ist eine richtig schöne Wohnung, glaub mir. Ein amerikanisches Ehepaar hat sie vor drei Jahren gekauft und ein Vermögen für die Renovierung ausgegeben, aber das mit dem Wasser hatte ihnen niemand gesagt. Letzten Winter ist dann bei acqua aha das Parkett draufgegangen, der ganze neue Anstrich und Möbel und Teppiche im Wert von fünfzig Millionen Lire. Schließlich haben sie einen Architekten hinzugezogen, und der hat ihnen als erstes erklärt, daß da nichts zu machen ist. Jetzt wollen sie verkaufen.«
    »Für wieviel?«
    »Dreihundert Millionen.«
    »Hundertfünfzig Quadratmeter?« fragte Brunetti.
    »Ja.«
    »Das ist geschenkt.«
    »Stimmt. Kennst du jemanden, der daran interessiert sein könnte?«
    »Stefania, das sind zwar sehr billige hundertfünf zig Quadratmeter. Aber auch wertlose.« Sie stritt das nicht ab und sagte nichts weiter. »Hast du Interessenten?« fragte er schließlich.
    »Ja.«
    »Wen?«
    »Irgendwelche Deutschen.«
    »Na, hoffentlich kriegst du die Wohnung an sie los.« Stefanias Vater war drei Jahre Kriegsgefangener in Deutschland gewesen.
    »Wenn du keine

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