Brunetti 06 - Sanft entschlafen
hier eintreffen«, führ er fort, »und ich habe für uns drei ein Arbeitsessen anberaumt. Am Nachmittag, dachte ich, könnten Sie ihn dann durch die Stadt führen. Sie dürfen ein Polizeiboot benutzen.«
»Vielleicht nach Murano, zu den Glasbläsern?«
Patta hatte schon genickt und wollte sich gerade darüber auslassen, wie gut er die Idee fand, als Brunettis Ton ihm doch noch bewußt wurde. »Es gehört mit zu den Aufgaben unserer Dienststelle, Brunetti, für gute public relations zu sorgen.« Typisch Patta, hier einen englischen Ausdruck zu benutzen, obwohl er diese Sprache gar nicht beherrschte.
»Gut«, sagte Brunetti im Aufstehen. Er blickte auf den noch sitzenden Patta hinunter. »Sonst noch etwas, Vice-Questore?«
»Nein, ich glaube nicht. Wir sehen uns also morgen mittag?«
Brunetti antwortete mit einer unbestimmten Geste und verließ Pattas Zimmer.
10
B runetti traf Signorina Elettra draußen in stiller Zwiesprache mit ihrem Computer an. Sie wandte sich lächelnd zu ihm um, wohl um ihm auf diese Weise zu zeigen, daß sie ihm die freche Bemerkung über ihre geheimen Schweizer Bankkonten zu verzeihen gewillt war. »Und?« fragte sie.
»Ich werde den Chef der Berner Polizei in der Stadt herumführen dürfen. Wahrscheinlich kann ich von Glück reden, daß ich ihn nicht auch noch zu mir nach Hause einladen muß.«
»Was sollen Sie denn mit ihm machen?«
»Keine Ahnung. Ihm die Stadt zeigen. Ihn hier durch die Questura schleifen. Vielleicht sollte ich ihm ja mal die Leute zeigen, die wegen einer Aufenthaltsgenehmigung vor dem Ufficio Stranieri Schlange stehen.« Brunetti waren seine eigenen Gefühle nicht ganz geheuer, aber er konnte sich einfach nicht freimachen von einem wachsenden Unbehagen über diese vielen Menschen, die sich jeden Morgen vor dem Ausländeramt einfanden, meist junge Männer aus Ländern, die mit der europäischen Kultur nichts gemein hatten. Noch während er daran herumkaute und seine Überlegungen in wohlgeformte Sätze zu kleiden versuchte, wurde ihm klar, daß sie im Kern auf genau den gleichen dumpfen Empfindungen beruhten, die ihren Ausfluß in den fremdenfeindlichen Ausfällen der Mitglieder jener Parteien und Grüppchen fanden, die dem Land seine ethnische und kulturelle Reinheit zurückzugeben versprachen.
Signorina Elettra riß ihn aus diesen düsteren Gedanken. »Vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm, Dottore. Die Schweizer haben uns in letzter Zeit manchmal sehr geholfen.«
Er lächelte. »Vielleicht könnten Sie ihm ein paar Paßwörter für ihre Computer entlocken, Signorina.«
»Das haben wir gar nicht nötig, Commissario. Die Paßwörter der Polizeicomputer sind sehr leicht zu knacken. Aber die, mit denen man wirklich etwas anfangen könnte, die für die Banken - nicht einmal ich würde meine Zeit damit vertun, an die herankommen zu wollen.«
Noch ehe ihm klar war, wie er darauf kam, sagte Brunetti plötzlich: »Signorina, ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.« »Ja, Commissario?« fragte sie und nahm schon ihren Stift zur Hand, als hätte er sich nie einen Scherz mit ihr erlaubt.
»Es geht um einen Priester in San Polo, einen Don Luciano. Den Nachnamen kenne ich nicht. Könnten Sie für mich herausbekommen, ob es mit ihm einmal Arger gegeben hat?«
»Ärger, Commissario?«
»Ob einmal wegen irgend etwas gegen ihn ermittelt wurde. Oder ob er oft versetzt worden ist. Genauer gesagt, versuchen Sie zu erfahren, wo er zuletzt tätig war und warum man ihn hierhergeschickt hat.«
»Die Schweizer Banken wären einfacher«, meinte sie, mehr zu sich selbst.
»Wie bitte?«
»An so etwas ist sehr schwer heranzukommen.«
»Auch wenn einmal etwas gegen ihn vorlag?«
»Solche Dinge haben es an sich, irgendwie unterzugehen, Commissario.«
»Was für Dinge?« fragte Brunetti, hellhörig geworden durch ihren überaus sachlichen Ton.
»Eben so etwas wie Ermittlungen gegen einen Priester. Oder nur schon öffentliches Aufsehen. Denken Sie an die Sache mit dieser Sauna in Dublin. Wie schnell das wieder aus den Schlagzeilen heraus war.«
Brunetti erinnerte sich. Da war im letzten Jahr, allerdings nur im manifeste und in der Unità, etwas über einen irischen Priester gemeldet worden, der in Dublin in einer Schwulensauna an Herzinfarkt gestorben war und von zwei anderen Priestern, die zufällig auch dort waren, die Sterbesakramente empfangen hatte. Diese Geschichte, über die Paola sich halb totgelacht hatte, war schon am nächsten Tag mit keiner Silbe mehr
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