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Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Brunetti 06 - Sanft entschlafen

Titel: Brunetti 06 - Sanft entschlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Ende ist es doch so, egal, wieviel Macht wir haben, wir werden alt und schwach, und alles ist wieder futsch.«
    Brunetti fiel plötzlich auf, wie sehr das nach Vianello klang: Sein Sergente hatte materiellen Wohlstand als eine Illusion bezeichnet, und jetzt sagte seine Frau ihm, Macht sei auch nichts Realeres. Was machte das aus ihm: den krassen Materialisten im selben Joch mit zwei Klausnern? Sie sagten längere Zeit beide nichts. Endlich sah Paola auf ihre Uhr, stellte fest, daß es schon nach elf war, und sagte:
    »Ich muß morgen schon früh unterrichten.« Doch ehe sie aufstehen konnte, klingelte das Telefon.
    Sie wollte hin, aber Brunetti war schneller, denn er rechnete fest damit, daß es Vianello oder jemand aus dem Krankenhaus war. »Pronto«, meldete er sich, trotz aller Angst und Erregung mit ruhiger Stimme.
    »Spreche ich mit Signor Brunetti?« fragte eine fremde Frauenstimme.
    »Ja.«
    »Signor Brunetti, ich muß mit Ihnen reden«, begann sie hastig. Aber dann stockte sie, als hätte der Mut sie verlassen, und sagte: »Oder könnte ich vielmehr mit Signora Brunetti sprechen?«
    Ihre Stimme klang so angespannt, daß Brunetti nicht zu fragen wagte, wer sie sei, weil er fürchtete, sie werde sonst gleich wieder auflegen. »Einen Moment bitte, ich hole sie«, sagte er und legte den Hörer neben den Apparat. Er wandte sich Paola zu, die noch auf dem Sofa saß und zu ihm aufsah.
    »Wer ist das?« fragte sie leise.
    »Ich weiß es nicht. Sie möchte dich sprechen.«
    Paola kam und nahm den Hörer. »Pronto?«
    Da Brunetti nicht recht wußte, was er tun sollte, wollte er gerade schon hinausgehen, da fühlte er plötzlich Paolas Hand um seinen Arm. Sie warf ihm einen raschen Blick zu, aber dann sagte die Frau am anderen Ende etwas, und Paola wurde von ihm abgelenkt und ließ ihn los.
    »Ja, doch, natürlich dürfen Sie.« Paola begann, wie es ihre Angewohnheit war, mit dem Telefonkabel zu spielen, indem sie es wie eine Serie lebender Ringe um ihre Finger wickelte. »Ja, ich erinnere mich an Sie vom Elternabend.« Sie zog die Ringe von den Fingern ihrer linken Hand und wickelte sie auf die rechten. »Ja, ich bin sehr froh, daß Sie anrufen. Doch, ich finde, das war genau richtig.«
    Ihre Hände hielten jetzt still. »Bitte, Signora Stocco, versuchen Sie ruhig zu bleiben. Es wird schon wieder gut. Kann sie es verkraften? Und Ihr Mann? Wann kommt er nach Hause? Hauptsache, Nicoletta wird damit fertig.«
    Paola sah zu Brunetti auf, der fragend die Augenbrauen hochzog. Sie nickte zweimal, ohne daß er eine Ahnung hatte, was das heißen sollte, und lehnte sich an ihn. Er legte den Arm um sie und hörte weiter ihr und dem Krächzen am anderen Ende zu.
    »Natürlich, ich sage es meinem Mann. Aber ich glaube nicht, daß er etwas machen kann, wenn Sie nicht...« Die andere Stimme fiel ihr ins Wort. Sie redete lange.
    »Ich verstehe, das verstehe ich vollkommen. Wenn Nicoletta damit fertig wird. Nein, ich finde nicht, daß Sie mit ihr darüber reden sollten, Signora Stocco. Doch, ich spreche noch heute abend mit ihm und rufe Sie morgen an. Wenn Sie mir bitte Ihre Nummer geben würden.« Paola bückte sich und kritzelte eine Nummer hin, dann fragte sie: »Kann ich irgend etwas für Sie tun?« Sie hielt inne und sagte dann:
    »Aber nein, überhaupt keine Umstände. Ich bin froh, daß Sie angerufen haben.«
    Wieder eine Pause, dann sagte Paola: »Ja, ich habe Gerüchte gehört, aber nichts Bestimmtes, nichts in dieser Art. Doch, doch, da bin ich ganz Ihrer Meinung. Ich spreche mit meinem Mann darüber und rufe Sie morgen an. Aber bitte, Signora Stocco, ich bin froh, wenn ich Ihnen irgendwie von Nutzen sein kann.« Weitere Geräusche am anderen Ende der Leitung.
    »Versuchen Sie jetzt ein bißchen zu schlafen, Signora Stocco. Hauptsache, Nicoletta kann es verkraften. Nur darauf kommt es an.« Nach einer weiteren Pause sagte Paola: »Ja, natürlich dürfen Sie wieder anrufen, wenn Sie möchten. Nein, die Tageszeit spielt keine Rolle. Wir sind zu Hause. Natürlich, natürlich. Keine Ursache, Signora. Gute Nacht.« Sie legte den Hörer auf und drehte sich zu ihm um.
    »Das war Signora Stocco. Ihre Tochter Nicoletta ist in Chiaras Klasse. Sie waren zusammen im Religionsunterricht.«
    »Don Luciano?« fragte Brunetti, schon neugierig darauf, welchen Blitz die Mächte der Religion ihm nun wieder entgegenschleudern würden.
    Paola nickte.
    »Was war denn?«
    »Das hat sie nicht gesagt. Oder sie weiß es nicht. Sie hat Nicoletta heute

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