Brunetti 07 - Nobiltà
Krankenversicherung.«
»Weiß Ihre Schwester das?« fragte er, denn wie würde eine Ärztin, die fürs öffentliche Gesundheitswesen arbeitete, es wohl sehen, wenn ihre eigene Schwester extra dafür bezahlte, es nicht in Anspruch nehmen zu müssen?
»Was glauben Sie denn, wer es mir empfohlen hat?« fragte Elettra zurück.
»Warum?«
»Wahrscheinlich, weil sie soviel in Krankenhäusern zu tun hat und weiß, was dort läuft.« Sie überlegte einen Moment und fügte dann hinzu: »Oder nach allem, was sie mir schon erzählt hat, eher, was dort nicht läuft. Letzte Woche hat eine ihrer Patientinnen im Civile, die mit sechs anderen Frauen in einem Zimmer lag, zwei Tage lang nichts zu essen bekommen. Man hat ihnen einfach nichts gebracht, und niemand konnte ihnen erklären, warum.«
Von solchen Dingen hatte Brunetti auch schon gehört. »Und dann?« fragte er.
»Zum Glück bekamen vier der Frauen regelmäßig Besuch von Verwandten und haben das Mitgebrachte mit den anderen geteilt.«
Elettra war immer lauter geworden und wurde, während sie weitersprach, sogar noch lauter: »Wenn man frische Bettwäsche oder eine Bettpfanne will, muß man extra dafür bezahlen, sonst bringt sie einem keiner. Barbara hat inzwischen resigniert und mir darum geraten, in eine Privatklinik zu gehen, wenn ich je ins Krankenhaus muß.«
»Und daß Sie ein Auto haben, wußte ich auch nicht«, sagte Brunetti, der sich immer wunderte, wenn er erfuhr, daß jemand, der hier in Venedig lebte und arbeitete, eines besaß. Er selbst hatte nie ein Auto gehabt, auch seine Frau nicht, obwohl sie beide fahren konnten, mehr schlecht als recht.
»Ich habe es bei meinem Vetter in Messer stehen. Er fährt es die Woche über, und ich benutze es, wenn ich am Wochenende irgendwohin will.«
»Und die Wohnung?« fragte Brunetti, der es nie der Mühe wert gefunden hatte, seine eigene zu versichern.
»Ich war mit einer Frau in der Schule, die eine Wohnung am Camp Delta Guerre hatte. Erinnern Sie sich noch an den Brand dort? Sie war eine von denen, die bei dem Feuer alles verloren.«
»Ich dachte, die Stadt sei für die Instandsetzung aufgekommen«, sagte Brunetti.
»Für die Grundinstandsetzung«, verbesserte sie ihn. »Solche Kleinigkeiten wie Möbel, Kleidung oder sonstiger persönlicher Besitz waren darin aber nicht enthalten.«
»Wäre das bei einer privaten Versicherung besser?« erkundigte sich Brunetti, der schon zahllose Horrorgeschichten darüber gehört hatte, wie schwer es sei, von einer Versicherung Geld zu bekommen, egal wie berechtigt der Anspruch war.
»Ich würde mich lieber mit einer privaten Versicherung herumschlagen als mit der Stadt.«
»Wer nicht?« fragte Brunetti resigniert.
»Aber was kann ich für Sie tun, Commissario?« fragte sie mit einer Handbewegung, die ihr Gespräch und mit ihm alle Gedanken an die Widrigkeiten des Lebens fortwirkte.
»Ich wollte Sie bitten, ins Archiv zu gehen und mir die Akte zum Entführungsfall Lorenzoni herauszusuchen«, sagte Brunetti und holte die Widrigkeiten des Lebens damit doch wieder zurück.
»Roberto?«
»Kannten Sie ihn?«
»Nein, aber der jüngere Bruder meines damaligen Freundes war mit ihm in der Schule. Im Vivaldi, glaube ich. Ist schon Ewigkeiten her.«
»Hat er je etwas über ihn erzählt?«
»Ich erinnere mich nicht genau, aber ich glaube, er mochte ihn nicht besonders.«
»Wissen Sie noch, warum?«
Sie hob das Kinn und zog eine Schnute, die der Schönheit jeder anderen Frau ziemlich abträglich gewesen wäre. Bei Elettra aber betonte sie nur den feinen Schwung ihres Kinns und das Rot ihrer geschürzten Lippen.
»Nein«, sagte sie endlich. »Was es auch war, es ist mir entfallen.«
Brunetti wußte nicht recht, wie er seine nächste Frage formulieren sollte. »Sie sagten, Ihr damaliger Freund. Sind Sie noch, äh, ich meine, haben Sie noch Kontakt zu ihm?«
Sie lächelte amüsiert, ebenso über die Frage wie über die Verlegenheit, mit der er sie gestellt hatte.
»Ich bin die Patin seines ersten Sohnes«, sagte sie. »Es wäre mir also ein leichtes, ihn anzurufen und darum zu bitten, er möchte seinen Bruder einmal fragen, was er noch weiß. Das tue ich gleich heute abend.« Sie stand auf. »Und jetzt gehe ich die Akte suchen. Soll ich sie Ihnen in Ihr Zimmer bringen?« Brunetti war dankbar, daß sie nicht fragte, warum er die Unterlagen einsehen wollte. Er hoffte abergläubisch, er könne, indem er es nicht aussprach, vielleicht verhindern, daß der Tote Roberto
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