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Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Titel: Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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nicht nach der Adresse. Die würden sie leicht herausbekommen. »Haben Sie eine Vorstellung, inwieweit er mit den verschiedenen Firmen und Geschäften, die er besaß, zu tun hatte?«
    »Zu tun?«
    »Unmittelbar, meine ich, mit dem Tagesgeschäft.«
    »Da müßten Sie seine Sekretärin fragen«, sagte sie.
    »In Marghera?«
    Sie nickte.
    Wenn sie sprach, und sei es noch so kurz, beobachtete Brunetti sie auf Anzeichen von Verzweiflung oder Trauer. Die Leblosigkeit ihres Gesichts machte es ihm schwer, aber er glaubte doch Spuren von Traurigkeit zu entdecken, auch wenn es mehr die Art war, wie sie ständig auf ihre gefalteten Hände hinunterblickte, weniger ihre Worte oder ihr Ton.
    »Wie lange waren Sie verheiratet, Signora?«
    »Fünfunddreißig Jahre«, antwortete sie, ohne zu zögern.
    »Ist das Mädchen, das uns aufgemacht hat, Ihre Enkelin?«
    »Ja«, sagte sie, und die winzigste Andeutung eines Lächelns durchbrach die Reglosigkeit ihres Gesichts. »Giovanna. Meine Tochter lebt in Rom, aber Giovanna hat gesagt, daß sie herkommen und bei mir sein will. Jetzt.«
    Brunetti nickte zum Zeichen, daß er verstand, obwohl diese Sorge der Enkelin um ihre Großmutter das teilnahmslose Auftreten des Mädchens noch merkwürdiger erscheinen ließ. »Es muß Ihnen ein großer Trost sein, sie hier zu haben«, sagte er.
    »O ja«, bestätigte Signora Mitri, und diesmal entspannte sich ihr Gesicht in einem richtigen Lächeln. »Es wäre schrecklich, hier allein sein zu müssen.«
    Brunetti senkte den Kopf und wartete ein paar Sekunden, bevor er wieder zu ihr aufsah. »Nur noch einige wenige Fragen, Signora, dann überlassen wir Sie wieder Ihrer Enkelin.« Er wartete nicht, ob sie darauf etwas antworten wollte, sondern fragte ohne weitere Überleitung: »Sind Sie die Erbin Ihres Mannes?«
    Ihre Überraschung verriet sich in ihrem Blick - zum erstenmal schien etwas sie zu berühren. »Ich glaube, ja«, sagte sie ohne Zögern.
    »Hat Ihr Mann noch andere Angehörige?«
    »Einen Bruder und eine Schwester, und noch einen Vetter, aber der ist schon vor Jahren nach Argentinien ausgewandert.«
    »Sonst niemanden?«
    »Nein, nicht in der engeren Familie.«
    »Ist Signor Zambino ein Freund Ihres Mannes?«
    »Wer?«
    »Avvocato Giuliano Zambino.«
    »Nicht daß ich wüßte, nein.«
    »Ich glaube, er war der Anwalt Ihres Mannes.«
    »Ich weiß leider sehr wenig über die Geschäfte meines Mannes«, sagte sie, und Brunetti mußte daran denken, wie viele Frauen ihm im Lauf der Jahre schon dieselbe Antwort gegeben hatten. Die wenigsten von ihnen hatten dabei die Wahrheit gesagt, wie sich später herausstellte, weshalb er eine solche Antwort nie für bare Münze nahm. Manchmal war ihm unwohl bei dem Gedanken, wieviel Paola über seine eigenen beruflichen Angelegenheiten wußte, wenn man dazu die Identität vermutlicher Vergewaltiger zählen konnte oder die Ergebnisse schauriger Autopsien und die Nachnamen all der Verdächtigen, die in den Zeitungen als »Giovanni S., 39, Busfahrer aus Mestre« oder »Federico G., 59, Maurer aus San Donà di Piave« bezeichnet wurden. Er wußte, wie wenige Geheimnisse im Ehebett sicher waren, und so mißtraute er Signora Mitris vorgeblicher Unwissenheit, aber er hakte nicht nach.
    Die Namen der Leute, mit denen sie am Mordabend zum Essen gewesen war, hatten sie schon, so daß er dieses Thema jetzt nicht weiterzuverfolgen brauchte. Statt dessen fragte er: »War das Verhalten Ihres Mannes in den letzten Wochen irgendwie anders? Oder in den letzten Tagen?«
    Sie schüttelte energisch den Kopf. »Nein, er war genau wie sonst immer.«
    Brunetti hätte sie gern gefragt, wie er denn sonst immer war, aber er ließ es und stand auf. »Signora, wir danken Ihnen für die Zeit, die Sie uns geopfert haben, und für Ihre Hilfe. Ich fürchte aber, ich werde Sie noch einmal behelligen müssen, wenn wir erst mehr wissen.« Er sah ihr an, wie wenig sie sich darauf freute, glaubte aber nicht, daß sie sich einer Bitte um weitere Informationen widersetzen würde. Seine letzten Worte kamen von Herzen: »Signora, ich hoffe, daß diese Zeit nicht allzu schmerzlich für Sie sein wird, und wünsche Ihnen die Kraft, sie durchzustehen.«
    Sie lächelte ob der erkennbaren Aufrichtigkeit seiner Worte, und wieder sah er in ihrem Lächeln so etwas wie Wärme.
    Vianello stand auf, nahm ihre Mäntel vom Stuhl und reichte Brunetti den seinen. Beide zogen sich an, und Brunetti ging voraus zur Tür. Signora Mitri stand ebenfalls auf und folgte

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