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Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Titel: Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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und das Boot zog davon.
    »Warum sind Sie denn mit hier ausgestiegen?« fragte Brunetti. Die Haltestelle war für ihn richtig, aber Vianello hätte bis Castello sitzen bleiben sollen.
    »Ich nehme das nächste Boot. Was ist nun mit Zambino?«
    »Morgen vormittag«, antwortete Brunetti. »Aber erst später. Vorher möchte ich Signorina Elettra nachsehen lassen, ob es noch etwas gibt, was sie bisher vielleicht übersehen hat.«
    Vianello nickte zustimmend. »Sie ist das reine Wunder«, sagte er. »Wenn ich ihn besser kennte, würde ich sagen, Tenente Scarpa hat Angst vor ihr.«
    »Ich kenne ihn ganz gut«, antwortete Brunetti, »und er hat Angst vor ihr. Weil sie nämlich nicht die mindeste Angst vor ihm hat. Und damit gehört sie zu einer sehr kleinen Minderheit in der Questura.« Da er und Vianello ebenfalls zu dieser Minderheit gehörten, konnte er so reden. »Das macht ihn aber zugleich sehr gefährlich. Ich habe ihr das schon zu sagen versucht, aber sie nimmt ihn einfach nicht ernst.«
    »Das sollte sie aber«, meinte Vianello.
    Ein Boot kam unter der Brücke hervor und hielt auf den Anleger zu. Als alle Passagiere ausgestiegen waren, ging Vianello mit einem großen Schritt an Deck. »A domani, capo«, sagte er. Brunetti hob die Hand und machte kehrt, bevor noch die anderen Passagiere zugestiegen waren.
    Er ging zu einem der öffentlichen Telefone beim Anleger und wählte aus dem Gedächtnis Rizzardis Nummer im Krankenhaus. Rizzardi war schon fort, hatte aber bei seinem Assistenten eine Nachricht für Brunetti hinterlassen: Es sei alles so, wie er vermutet habe. Ein einadriges Kabel, mit Kunststoff ummantelt, etwa sechs Millimeter dick. Nichts weiter. Brunetti bedankte sich und machte sich auf den Heimweg.
    Der Tag war gegangen und hatte alle Wärme mitgenommen. Brunetti wünschte sich, er hätte seinen Schal dabei, aber so mußte er sich damit begnügen, den Mantelkragen hochzuschlagen und den Kopf einzuziehen. Er ging mit raschen Schritten über die Brücke, wandte sich dahinter nach links und schlug den Weg entlang der riva ein, angezogen von den Lichtern der vielen Restaurants an ihrem Ufer. Er wandte sich nach rechts und eilte durch die Unterführung zum Campo San Silvestro, dann links in Richtung nach Hause. Bei Biancat verlockten ihn die Iris im Schaufenster, doch da fiel ihm sein Zorn auf Paola ein, und er ging vorbei. Nach ein paar Schritten dachte er aber nur noch an Paola, kehrte um, betrat das Blumengeschäft und kaufte ein Dutzend von den dunkelroten.
    Sie war in der Küche, als er heimkam, und streckte den Kopf heraus, um zu sehen, ob er es war oder eines der Kinder, da sah sie das Paket in seinem Arm. Sie kam auf ihn zu, ein feuchtes Tuch in den Händen. »Was ist denn da drin, Guido?« fragte sie, ehrlich verwirrt.
    »Mach's auf und sieh nach«, sagte er und überreichte ihr die Blumen.
    Sie warf sich das Handtuch über die Schulter und nahm sie ihm ab. Er drehte sich um, zog seinen Mantel aus, hängte ihn in den Schrank und hörte das Papier rascheln. Plötzlich war es still, totenstill, und er sah sich besorgt nach ihr um, ob er wohl etwas falsch gemacht hatte. »Was ist denn?« fragte er, als er ihr betroffenes Gesicht bemerkte.
    Sie faßte den Strauß mit beiden Händen und zog ihn an ihre Brust. Ihre Antwort ging im Rascheln des zerknitterten Papiers unter.
    »Wie?« fragte er und bückte sich ein wenig, denn sie hatte den Kopf gesenkt und ihr Gesicht in die Blüten gesteckt.
    »Ich ertrage den Gedanken nicht, daß etwas, was ich getan habe, am Tod dieses Mannes schuld ist.« Ein Schluchzer erstickte ihre Stimme, aber sie fuhr fort: »Es tut mir leid, Guido. All der Ärger, den ich dir gemacht habe, tut mir leid. Ich tue dir so etwas an, und du bringst mir noch Blumen mit.« Sie fing an zu schluchzen, das Gesicht in den weichen Blütenblättern der Iris, und ihre Schultern bebten unter der Macht ihrer Gefühle.
    Er nahm ihr die Blumen ab und sah sich um, wo er sie ablegen könnte. Es war nirgendwo Platz, weshalb er sie kurzerhand auf den Fußboden legte und die Arme um Paola schlang. Sie schluchzte an seiner Brust mit einer Hemmungslosigkeit, die seine Tochter noch nie an den Tag gelegt hatte, nicht einmal als ganz kleines Kind. Er hielt sie schützend im Arm, als fürchtete er, sie könnte unter ihren Schluchzern auseinanderbrechen. Er küßte sie auf den Kopf, trank ihren Duft in sich hinein, sah den kurzen Haarwirbel über ihrem Nacken. Er hielt sie fest umschlungen und wiegte sie ein wenig

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