Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
ihnen zur Schwelle der Wohnung.
Dort verabschiedeten Brunetti und Vianello sich von ihr und gingen hinunter in den Innenhof, wo die Palmen noch immer prächtig gediehen.
15
A uf dem Weg zurück zum embarcadero redeten beide eine ganze Weile nicht. Als sie ankamen, legte gerade das 82er Boot vom Bahnhof an, und sie stiegen ein, weil sie wußten, daß es dem weiten Bogen des Canal Grande folgen und sie zum Anleger San Zaccharia bringen würde, von wo es nur noch ein paar Schritte zur Questura waren.
Da es kühler geworden war, gingen sie nach drinnen und setzten sich in den vorderen Teil der halbleeren Kabine. Vor ihnen steckten zwei alte Frauen die Köpfe zusammen und unterhielten sich in lautem Veneziano über die plötzliche Kälte.
»Zambino?« fragte Vianello.
Brunetti nickte. »Ich wüßte gern, warum Mitri zu dem Gespräch mit Patta einen Anwalt mitgebracht hat.«
»Dazu noch einen, der hin und wieder Strafrechtsfälle übernimmt«, ergänzte Vianello unnötigerweise. »Er hat doch nichts verbrochen, oder?«
»Vielleicht wollte er seinen Rat, wie er zivilrechtlich gegen Paola vorgehen könnte, falls es mir gelingen sollte, die Polizei ein zweites Mal von einer Strafverfolgung abzuhalten.«
»So eine Chance hat doch nie bestanden, oder?« fragte Vianello in einem Ton, der sein Bedauern deutlich machte.
»Nein. Sowie Scarpa und Landi ins Spiel kamen, nicht mehr.«
Vianello brummelte etwas vor sich hin, aber Brunetti verstand es nicht und bat den Sergente auch nicht, es zu wiederholen. Statt dessen sagte er: »Ich weiß auch nicht, wie es jetzt weitergeht.«
»Was?«
»Diese Geschichte. Nachdem Mitri tot ist, werden seine Erben wohl kaum noch zivilrechtlich gegen Paola vorgehen wollen. Höchstens der Geschäftsführer.«
»Und die...« Vianello schien im Moment nicht recht zu wissen, wie er in dieser Situation die Polizei nennen sollte, und entschied sich für »... unsere Kollegen?«
»Kommt auf den Untersuchungsrichter an.«
»Wissen Sie, wer das ist?«
»Pagano, glaube ich.«
Vianello dachte darüber nach, rief sich seine jahrelangen Erfahrungen in der Arbeit für und mit dem Untersuchungsrichter in Erinnerung, einem älteren Mann, der kurz vor der Pensionierung stand. »Ich glaube kaum, daß er einen Prozeß fordern wird, oder?«
»Das glaube ich auch nicht. Er hat sich nie gut mit dem Vice-Questore verstanden, wird sich also kaum zu so etwas drängen lassen oder sich freuen, wenn man ihn zu beschwatzen versucht.«
»Was kommt also heraus? Eine Geldbuße?« Brunetti zuckte die Achseln, und Vianello ließ das Thema fallen und fragte: »Was jetzt?«
»Ich will noch nachsehen gehen, ob sich etwas getan hat, und anschließend mit Zambino reden.«
Vianello sah auf die Uhr. »Haben wir dafür noch Zeit?«
Brunetti hatte, wie schon so oft, vollkommen die Zeit vergessen und war überrascht zu sehen, daß es schon weit nach sechs war. »Nein, das nicht. Dann hat es auch eigentlich keinen Sinn, noch einmal in die Questura zu gehen.«
Vianello lächelte, zumal das Boot noch festlag. Er sprang auf und strebte zur Tür. Als er dort ankam, hörte er den Motor auf eine höhere Drehzahl gehen und sah den Bootsmann die Leine einziehen und festmachen. »Warte«, rief er.
Der Mann reagierte nicht, sah nicht einmal hoch, und der Motor drehte sich noch schneller.
»Warte«, rief Vianello noch lauter, erreichte aber nichts.
Er drängte sich durch die Leute an Deck und legte dem Mann die Hand leicht auf den Arm. »Ich bin's, Marco«, sagte er in normaler Lautstärke. Der andere blickte auf, sah die Uniform, erkannte das Gesicht und gab dem Bootsführer, der durch sein Kabinenfenster nach hinten auf die Unruhe an Deck blickte, ein Zeichen.
Nachdem er das Zeichen wiederholt hatte, legte der Bootsführer plötzlich den Rückwärtsgang ein. Einige Passagiere an Deck kamen ins Schwanken und bemühten sich, ihr Gleichgewicht zu halten. Eine Frau taumelte schwer gegen Brunetti, der den Arm um sie legte und sie festhielt. Er hatte eigentlich keine Lust, sich eine Anzeige wegen polizeilicher Übergriffe einzuhandeln, oder was im umgekehrten Fall herauskäme, wenn sie stürzte, aber er hatte schon zugegriffen, ehe er darüber nachdenken konnte, und war froh, ihr dankbares Lächeln zu sehen, als er sie wieder losließ.
Langsam schloß das Boot wieder die Lücke zum Anleger. Der Bootsmann öffnete das Gitter, und Vianello und Brunetti gingen über den Holzsteg. Vianello hob die Hand zum Dank; der Motor heulte auf,
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