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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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berücksichtigte, die in der Geldentwertung und der Diskrepanz zwischen gemeldetem und wahrem Preis lagen, kam am Ende immer heraus, daß sie weit weniger als ein Drittel der in der Stadt üblichen Durchschnittspreise für Immobilien bezahlt hatten.
    Brunetti sah auf. »Gehe ich recht in der Annahme, daß auf den weiteren Seiten im wesentlichen dasselbe steht?«
    Sie nickte.
    »Wie viele Objekte sind es?«
    »Über vierzig, und ich habe noch nicht einmal angefangen, weitere Immobilien unter die Lupe zu nehmen, die auf die Namen anderer Volpatos laufen, bei denen es sich um Verwandte handeln könnte.«
    »Verstehe«, sagte er und beschäftigte sich wieder mit den Papieren. Auf den letzten Seiten hatte Signorina Elettra den neuesten Kontostand ihrer jeweils einzelnen sowie mehrerer Gemeinschaftskonten aufgelistet. »Wie machen Sie das eigentlich...«, begann er, doch als er ihren plötzlich veränderten Gesichtsausdruck sah, beendete er die Frage mit den Worten: »... immer so schnell?«
    »Freunde«, antwortete sie, um fortzufahren: »Soll ich mal sehen, was uns die Telecom über die Telefongespräche der beiden sagen kann?«
    Brunetti nickte, überzeugt, daß Signorina Elettra das sowieso schon in die Wege geleitet hatte. Sie lächelte und ging; Brunetti wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Listen und Zahlen zu. Sie verschlugen ihm geradezu den Atem. Er versuchte sich zu erinnern, wie die Volpatos auf ihn gewirkt hatten: zwei Leute ohne jegliche Bildung, soziale Stellung oder Geld. Und doch ging aus diesen Papieren hervor, daß sie ungeheuer reich waren. Wenn die Häuser nur zur Hälfte vermietet waren - und man häufte in Venedig nicht Wohnung auf Wohnung an, um sie dann leer stehen zu lassen -, mußten sie es auf Mieteinnahmen von zwanzig bis dreißig Millionen Lire im Monat bringen, so viel, wie manch einer im Jahr verdiente. Viel von diesem Geld war sicher auf vier verschiedenen Banken deponiert, noch mehr in Staatsanleihen investiert. Brunetti verstand wenig vom Funktionieren der Mailänder Börse, aber er kannte die Namen der besten Aktien, und darin hatten die Volpatos Hunderte von Millionen Lire investiert.
    Diese so ärmlich aussehenden Leute: Er rief sie sich wieder vor Augen, erinnerte sich des verschlissenen Griffs an der Plastikhandtasche der Frau, die Flicken am linken Schuh des Mannes, die zeigten, wie oft er schon repariert worden war. War es eine Tarnung, die sie vor den neidischen Blicken der Leute in der Stadt schützen sollte, oder war es eine außer Kontrolle geratene Form von Geiz? Und wie paßte der zerschundene Leichnam Franco Rossis ins Bild, den man mit tödlichen Verletzungen vor einem Haus gefunden hatte, das den Volpatos gehörte?

19
    B runetti verbrachte die nächste Stunde damit, sich Gedanken über das Laster der Habgier zu machen, für das die Venezianer schon immer eine natürliche Veranlagung hatten. La Serenissima war von vornherein ein Wirtschaftsunternehmen gewesen, und der Erwerb von Reichtümern gehörte zu den höchsten Zielen, nach denen zu streben ein Venezianer angehalten wurde. Im Gegensatz zu jenen verschwendungssüchtigen Südländern, Römern und Florentinern, die Geld verdienten, um es hinauszuwerfen, und sich daran ergötzten, goldene Becher und Teller in ihre Flüsse zu werfen, um ihren Reichtum öffentlich zur Schau zu stellen, hatten die Venezianer frühzeitig gelernt, zu erwerben und zu behalten, zu bewahren, zu mehren, zu horten; außerdem hatten sie gelernt, ihren Wohlstand geheimzuhalten. Nun sprachen die grandiosen Palazzi am Canal Grande sicher nicht von geheimgehaltenem Reichtum, ganz im Gegenteil. Aber das waren die Mocenigos, die Barbaros, Familien, die von den Göttern des Geldes so reich gesegnet waren, daß jeder Versuch, ihren Reichtum zu verstecken, vergebens gewesen wäre. Ihr Ruhm bewahrte sie vor der Krankheit der Geldgier.
    Deren Symptome zeigten sich viel offener in den unbedeutenderen Familien, den dicken Kaufleuten, die ihre bescheideneren Palazzi an den kleineren Kanälen bauten, gleich über ihren Warenlagern, so daß sie wie nistende Vögel in engem Kontakt mit ihrem Reichtum leben konnten.
    Da wärmten sie sich im Widerschein der aus dem Osten mitgebrachten Gewürze und Tücher, wärmten sich heimlich, ohne ihre Nachbarn auch nur ahnen zu lassen, was hinter ihren vergitterten Wassertoren lagerte.
    Im Lauf der Jahrhunderte war dieser Hang zum Anhäufen nach unten durchgesickert und hatte feste Wurzeln in der allgemeinen Bevölkerung

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