Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
geschlagen. Er hatte viele Namen - Sparsamkeit, Ökonomie, Haushalten -, Brunetti selbst war dazu erzogen worden, sie alle hochzuhalten. In ihrer übertriebenen Form jedoch waren sie nichts weiter als unbarmherzige, mitleidlose Habgier, eine Krankheit, die nicht nur den Menschen vernichtete, der an ihr litt, sondern auch alle, die mit dem Infizierten in Kontakt kamen.
    Brunetti erinnerte sich, wie er als junger Kriminalbeamter einmal als Zeuge hinzugezogen worden war, als das Haus einer alten Frau aufgebrochen werden mußte, die eines Winters im Krankenhaus an Unterernährung und auf ständige Unterkühlung zurückzuführende Entkräftung gestorben war. Zu dritt waren sie zu der in ihrem Ausweis genannten Adresse gegangen, hatten die Schlösser an der Haustür aufgebrochen und waren hineingegangen. Sie hatten eine Wohnung von über zweihundert Quadratmetern betreten, die völlig verdreckt war und nach Katzen stank, die Zimmer vollgestopft mit Kartons und Zeitungsbündeln, auf denen Plastiktüten voller Lumpen und ausrangierter Kleidung lagen. In einem Zimmer befand sich nichts weiter als säckeweise Flaschen aller Art: Weinflaschen, Milchflaschen, Medizinfläschchen. In einem weiteren stand ein florentinischer Schrank aus dem fünfzehnten Jahrhundert, der später auf hundertzwanzig Millionen Lire geschätzt wurde.
    Trotz Februar war das Haus ungeheizt; aber nicht daß die Heizung nur nicht an gewesen wäre, nein, es existierte gar keine. Zwei von ihnen bekamen den Auftrag, nach Unterlagen zu suchen, die helfen könnten, die Angehörigen der alten Frau ausfindig zu machen. Als Brunetti in ihrem Schlafzimmer eine Schublade öffnete, fand er darin ein Bündel Fünfzigtausendlirescheine, zusammengebunden mit einer schmutzigen Schnur, während sein Kollege im Wohnzimmer einen Stapel Postsparbücher fand, jedes mit mehr als fünfzig Millionen Lire.
    Daraufhin hatten sie das Haus verlassen und versiegelt und alles übrige der Guardia di Finanza überlassen. Später hatte Brunetti erfahren, daß die alte Frau, die ohne Angehörige oder Testament gestorben war, über vier Milliarden Lire hinterlassen hatte, und zwar dem italienischen Staat, denn es gab ja keine lebenden Verwandten.
    Brunettis bester Freund hatte oft gesagt, er wünsche sich, daß der Tod ihn genau in dem Augenblick hole, in dem er seine letzten Lire auf den Tresen einer Bar legte und sagte: »Prosecco für alle.« Es war fast genau so gekommen, und das Schicksal hatte ihm vierzig Jahre weniger zugestanden als jener alten Frau, aber Brunetti wußte, daß sein Leben das bessere gewesen war, und sein Tod auch.
    Er riß sich von diesen Erinnerungen los und nahm den derzeit gültigen Dienstplan aus der Schublade, um erleichtert festzustellen, daß Vianello diese Woche Nachtdienst hatte. Der Sergente war zu Hause und mit dem Streichen der Küche beschäftigt, so daß er sich nur zu gern bitten ließ, sich am nächsten Morgen um elf mit Brunetti vor dem Ufficio Catasto zu treffen.
    Brunetti hatte, wie fast alle Bürger des Landes, keine Freunde bei der Guardia di Finanza und wollte dort auch keine haben. Allerdings brauchte er Zugang zu den Informationen, die sie möglicherweise über die Volpatos hatte, denn nur die Finanza, die es sich angelegen sein ließ, in den Steuergeheimnissen der Bürger zu wühlen, würde eine halbwegs klare Vorstellung davon haben, wieviel von dem enormen Reichtum der Volpatos angegeben und somit versteuert worden war. Statt sich aber groß damit auseinanderzusetzen, auf welchem korrekten Dienstweg solche Informationen anzufordern waren, rief er Signorina Elettra an und fragte, ob sie in die Datenbanken der Steuerfahndung hineinkomme.
    »Ah, die Guardia di Finanza«, säuselte sie, ohne im mindesten das Entzücken zu verbergen, das ihr diese Bitte bereitete. »Ich wünsche mir schon so lange, daß mich dazu einmal jemand auffordert.«
    »Sie würden es also nicht von sich aus tun, Signorina?« fragte Brunetti.
    »Aber nein, Commissario«, antwortete sie, erstaunt über seine Frage. »Das wäre doch - also, man könnte sagen, es wäre Wilderei, nicht wahr?«
    »Und was ist es, wenn ich Sie dazu auffordere?«
    »Großwildjagd, Commissario«, schmachtete sie und war schon aus der Leitung.
    Er rief bei der Spurensicherung an und fragte, wann er denn wohl den Bericht über das Haus bekomme, vor dem man Rossi gefunden hatte. Nachdem er ein paar Minuten hingehalten worden war, erfuhr er, man sei zwar hingegangen, doch als man gesehen habe, daß

Weitere Kostenlose Bücher