Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
eingereichten Plänen übereinstimmt, statt sich die Umstände aufzuhalsen, jemanden dafür bestechen zu müssen, daß er für die Vernichtung der Pläne sorgt? Oder für ihren Verlust«, korrigierte er sich.
    »So hat man das früher gemacht, Guido. Aber seitdem wir uns auf diesen Europakram eingelassen haben, muß man die Strafe bezahlen und außerdem auch noch alles abreißen und die Arbeiten neu machen. Und die Strafen sind saftig. Ein Kunde von mir hatte eine illegale Altane angebaut, nicht einmal groß, nur zwei mal drei Meter. Aber sein Nachbar hat ihn angezeigt. Vierzig Millionen Lire, Guido! Und abreißen mußte er sie auch noch. Früher hätte er sie wenigstens behalten dürfen. Ich sage dir, diese Europageschichte wird uns alle noch mal ruinieren. Bald findest du keinen mehr, der noch den Mut hat, Schmiergeld anzunehmen.«
    Brunetti hörte die moralische Entrüstung in ihrer Stimme, war sich aber nicht ganz sicher, ob er sie teilte. »Steffi, du hast mir jetzt viele Leute genannt, aber wer würde das deiner Meinung nach am ehesten organisieren können?«
    »Die Leute im Ufficio Catasto«, antwortete sie prompt. »Und wenn da irgendwas läuft, weiß dal Carlo davon und hat höchstwahrscheinlich den Rüssel im Trog. Früher oder später gehen schließlich alle Pläne über seinen Tisch, und es wäre für ihn ein Kinderspiel, den einen oder anderen verschwinden zu lassen.« Stefania überlegte kurz und fragte dann: »Führst du etwas in dieser Art im Schilde, Guido - Pläne verschwinden zu lassen?«
    »Ich sage dir doch, es gibt gar keine Pläne. Dadurch sind sie überhaupt erst auf mich gekommen.«
    »Wenn es keine Pläne gibt, kannst du doch behaupten, sie seien wohl zusammen mit den anderen, die noch verlorengehen werden, einfach abhanden gekommen.«
    »Aber wie soll ich beweisen, daß es meine Wohnung überhaupt gibt, daß sie wirklich gebaut wurde?« Noch während er das fragte, merkte er, wie absurd das Ganze war: Wie bewies man die Existenz der Wirklichkeit?
    Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Du brauchst dir nur einen Architekten zu suchen, der die Pläne für dich zeichnet.« Und ehe Brunetti sie unterbrechen und das Naheliegende fragen konnte, beantwortete sie es schon: »Und ein falsches Datum darauf setzt.«
    »Stefania, wir reden von vor fünfzig Jahren.«
    »Nicht unbedingt. Du sagst nur, daß du vor ein paar Jahren restauriert hast, dann läßt du die Pläne zeichnen, die mit dem jetzigen Zustand übereinstimmen, und setzt das entsprechende Datum darauf.« Brunetti fiel dazu nichts ein, weshalb sie fortfuhr: »Es ist wirklich ganz einfach, Guido. Wenn du willst, kann ich dir einen Architekten nennen, der das für dich macht. Nichts leichter als das.«
    Sie war so hilfsbereit, daß er sie nicht kränken wollte, weshalb er sagte: »Ich muß das noch mit Paola besprechen.«
    »Aber natürlich!« rief Stefania. »Wie dumm von mir! Das ist doch die Lösung. Ihr Vater kennt bestimmt die Leute, die das erledigen können. Dann brauchst du dich gar nicht erst um einen Architekten zu bemühen.« Sie verstummte; aus ihrer Sicht war das Problem gelöst.
    Brunetti wollte ihr gerade antworten, als Stefania rief: »Jetzt kriege ich gerade einen Anruf auf der anderen Leitung. Drück mir die Daumen, daß es ein Käufer ist. Ciao, Guido.« Und weg war sie.
    Er dachte noch ein Weilchen über ihr Gespräch nach. Die Wirklichkeit war da, formbar und gehorsam: Man mußte sie nur ein wenig hierhin ziehen oder dahin schieben, um sie mit dem in Einklang zu bringen, was irgendwer sich vorstellte. Oder wenn die Wirklichkeit sich als unverrückbar erwies, fuhr man eben die großen Geschütze von Macht und Geld auf und eröffnete das Feuer. Wie leicht, wie einfach.
    Brunetti merkte, daß diese Gedanken ihn an Punkte führten, an die er lieber nicht rühren wollte, und so klappte er noch einmal das Telefonbuch auf und wählte die Nummer des Ufficio Catasto. Es klingelte lange, aber niemand nahm ab. Er warf einen Blick auf die Uhr, sah, daß es schon fast vier war, und legte auf. »Wie dumm von mir«, knurrte er dabei vor sich hin, »am Nachmittag noch jemanden bei der Arbeit antreffen zu wollen.«
    Er kauerte sich auf seinem Stuhl zusammen und stellte die Füße auf die offene unterste Schreibtischschublade. Die Arme vor der Brust gekreuzt, ließ er Rossis Besuch noch einmal Revue passieren. Der Mann hatte einen aufrichtigen Eindruck gemacht, aber so etwas war weit verbreitet, besonders unter den

Weitere Kostenlose Bücher