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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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die Handwerker wieder im Haus zugange waren, sei man zu dem Schluß gekommen, daß nichts Brauchbares mehr zu finden sein würde, woraufhin man unverrichteter Dinge zur Questura zurückgekehrt sei.
    Brunetti wollte das schon unter dem allgegenwärtigen Mangel an Engagement und Eigeninitiative buchen, als ihm zu fragen einfiel: »Wie viele Arbeiter waren denn da?«
    Wieder hieß es, er solle dranbleiben, und kurz darauf meldete sich einer von dem Spurensicherungstrupp selbst. »Ja, Commissario?«
    »Als Sie zu diesem Haus gingen, wie viele Leute waren da bei der Arbeit?«
    »Gesehen habe ich zwei, Commissario, oben im dritten Stock.«
    »Und auf dem Gerüst?«
    »Da habe ich niemanden gesehen.«
    »Also nur die beiden?«
    »Ja, Commissario.«
    »Wo waren die?«
    »Am Fenster, Commissario.«
    »Und wo waren sie, als Sie hinkamen?«
    Der Mann mußte kurz nachdenken, dann antwortete er: »Sie sind ans Fenster gekommen, als wir unten an die Tür gehämmert haben.«
    »Berichten Sie mir bitte genau, wie das abgelaufen ist«, sagte Brunetti.
    »Die Tür war zu, also haben wir geklopft, und einer von ihnen hat aus dem Fenster geschaut und gefragt, was wir wollen. Pedone hat ihm gesagt, wer wir sind und was wir suchen, worauf er meinte, sie wären schon zwei Tage im Haus und schleppten Sachen herum, es sei also viel Staub und Schmutz da und nichts mehr so wie vor ein paar Tagen. In dem Moment kam der andere und stellte sich neben ihn. Gesagt hat er nichts, aber er war ganz voll Staub, woran man sah, daß die dort wirklich arbeiteten.«
    Es war lange still. Endlich fragte Brunetti: »Und?«
    »Pedone hat dann nach den Fenstern gefragt, das heißt nach den Stellen vor den Fenstern, denn da hätten wir ja suchen müssen, nicht wahr, Commissario?«
    »Ja«, bestätigte Brunetti.
    »Der Mann hat gesagt, sie hätten den ganzen Tag Zementsäcke durch die Fenster gewuchtet, worauf Pedone eben meinte, daß wir dort nur unsere Zeit verschwenden würden.«
    Brunetti ließ wieder eine Weile mit Schweigen verstreichen, dann fragte er: »Wie waren die Männer angezogen?«
    »Was meinen Sie, Commissario?«
    »Wie sie angezogen waren. Wie Arbeiter?«
    »Ich weiß nicht, Commissario. Sie waren da oben im dritten Stock am Fenster, und wir haben von unten hochgeguckt, konnten also nur die Köpfe und die Schultern sehen.« Er überlegte kurz und fügte dann hinzu: »Der eine, der mit uns gesprochen hat, der könnte ein Jackett angehabt haben.«
    »Wieso dachten Sie dann, er sei ein Bauarbeiter?«
    »Weil er es gesagt hat, Commissario. Und wozu hätte er sonst auch in dem Haus sein sollen?«
    Brunetti konnte sich ganz gut vorstellen, wozu die Männer im Haus gewesen waren, aber es hätte nichts genützt, das jetzt zu sagen. Er wollte dem Mann schon befehlen, seinen Partner zu holen und auf der Stelle eine ordnungsgemäße Spurensicherung vorzunehmen, nahm dann aber doch davon Abstand. Statt dessen dankte er dem Mann für seine Auskunft und legte auf.
    Vor zehn Jahren hätte ein solches Gespräch Brunetti in flammende Wut versetzt, jetzt aber bestätigte es lediglich das traurige Bild, das er von seinen Kollegen hatte. In seinen schwärzesten Momenten fragte er sich, ob nicht die meisten von ihnen im Sold der Mafia standen, aber er wußte, daß dieser Vorfall nichts weiter war als ein erneutes Beispiel für die verbreitete Inkompetenz und Interesselosigkeit. Oder vielleicht manifestierte sich darin, was er selbst zunehmend empfand: ein Gefühl, daß alle Versuche, Verbrechen einzuschränken, zu verhindern und zu bestrafen, zum Scheitern verurteilt waren.
    Statt noch länger in seinem privaten Dünkirchen zu verweilen, schloß er die Unterlagen über die Volpatos in seinen Schreibtisch und verließ das Zimmer. Der Tag suchte ihn mit den Tücken seiner Schönheit zu verführen: Die Vögel sangen, die Wisterien sandten einen besonders süßen Duft über den Kanal zu ihm herüber, und eine streunende Katze kam und wand sich um seine Beine. Brunetti bückte sich und kraulte sie hinter den Ohren, während er überlegte, was er tun sollte.
    Draußen an der Riva bestieg er das Vaporetto in Richtung Bahnhof, verließ es bei San Basilio wieder und lief in Richtung Campo dell'Angelo Raffaele und der schmalen calle, in der Rossi gelegen hatte. Als er um die Ecke bog, sah er weiter vorn das Haus, aber keinerlei Anzeichen irgendwelcher Geschäftigkeit. Keine Arbeiter stiegen auf dem Gerüst herum, und die Fensterläden waren zu. Er trat näher und besah sich

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