Brunetti 09 - Feine Freunde
der drei Bars am Campo. »Angelina und Massimo Volpato«, sagte er.
»Madre di Dio«, rief Danilo laut. »Nimm das Geld lieber von mir. Komm mit«, sagte er, wobei er Brunetti am Arm packte und ihn in Richtung Hinterzimmer zog. »Ich öffne den Safe und erzähle hinterher, der Dieb hätte eine Skimaske über dem Kopf gehabt, das verspreche ich dir.« Brunetti hielt das für einen Scherz, bis Danilo fortfuhr: »Du denkst doch nicht ernsthaft daran, zu denen zu gehen, Guido, nein? Wirklich, ich habe Geld auf der Bank, das kannst du haben, und Mauro gibt dir bestimmt auch noch was«, bezog er seinen Chef gleich mit in die Hilfsaktion ein.
»Nein, nein, Danilo, so ist das nicht«, sagte Brunetti und legte seinem Freund beruhigend die Hand auf den Arm. »Ich muß nur etwas über diese Leute wissen.«
»Willst du damit sagen, sie haben endlich einen Fehler gemacht, und jemand hat sie angezeigt?« rief Danilo mit dem Ansatz eines Lächelns. »Oh, welche Freude!«
»So gut kennst du sie?« fragte Brunetti.
»Seit Jahren«, zischte Danilo voll Abscheu zwischen den Zähnen hervor. »Vor allem die Frau. Einmal die Woche kommt sie mit ihren Heiligenbildchen und einem Rosenkranz zwischen den Fingern hier herein.« Er machte einen Buckel und faltete die Hände unterm Kinn. Dann neigte er den Kopf zur Seite und sah zu Brunetti auf, wobei er eine Schnute machte und grinste. Schon wechselte er von seinem Trientiner Dialekt in reines Veneziano und begann mit hoher Quäkstimme: »Oh, Dottor Danilo, Sie wissen ja nicht, wieviel Gutes ich den Menschen in dieser Stadt schon getan habe. Sie wissen nicht, wie viele Leute mir dafür dankbar sind und wie sie für mich beten sollten. Nein, Sie haben keine Ahnung.«
Brunetti hatte Signora Volpato zwar noch nie sprechen hören, aber in Danilos Parodie steckten sämtliche Heuchler, die er je gekannt hatte, auf einmal. Plötzlich richtete Danilo sich wieder auf, und die alte Frau, die er gewesen war, verschwand.
»Wie macht sie es?« fragte Brunetti.
»Die Leute kennen sie. Und ihn. Sie sind immer auf dem Campo, jedenfalls einer von ihnen, jeden Vormittag, und die Leute wissen, wo sie zu finden sind.«
»Woher wissen sie das?«
»Woher wissen Leute überhaupt etwas?« antwortete Danilo mit einer Gegenfrage. »Derlei Dinge sprechen sich herum. Das sind Leute, die nicht das Geld haben, um ihre Steuern zu bezahlen, oder die gespielt haben oder die bis zum Monatsende ihre laufenden Geschäftskosten nicht aufbringen können. Sie verpflichten sich mit ihrer Unterschrift, innerhalb eines Monats alles zurückzuzahlen, wobei die Zinsen immer schon draufgeschlagen sind. Aber es sind eben auch Leute, die sich weiteres Geld leihen müssen, um diesen Kredit zurückzuzahlen. Der Spieler gewinnt nicht; der Kaufmann lernt nicht, sein Geschäft besser zu führen.«
»Mir will nicht in den Kopf«, sagte Brunetti nach kurzem Überlegen, »daß so etwas alles legal ist.«
»Wenn der von einem Notar aufgesetzte Vertrag von beiden Parteien unterschrieben ist, gibt es nichts, was legaler wäre.«
»Was sind das für Notare?«
Danilo nannte ihm drei, lauter angesehene Männer, die in der Stadt große Kanzleien unterhielten. Einer von ihnen arbeitete für Brunettis Schwiegervater.
»Alle drei?« fragte Brunetti, ohne sein Erstaunen verhehlen zu können.
»Glaubst du, die Volpatos geben an, was sie den Notaren bezahlen? Glaubst du, die Notare versteuern, was sie von den Volpatos bekommen?«
Es überraschte Brunetti nicht im mindesten, daß Notare so tief sanken und sich für derart schmutzige Geschäfte hergaben; überraschend waren für ihn nur die Namen der drei Beteiligten, von denen einer Mitglied im Malteserorden war, ein anderer früher im Stadtrat gesessen hatte.
»Komm, Guido«, ermunterte ihn Danilo, »gehen wir einen trinken, dann kannst du mir erzählen, wozu du das alles wissen willst.« Als er Brunettis Gesicht sah, nahm er das zurück: »Oder du erzählst es mir eben nicht.«
Bei Rosa Salva gegenüber verriet Brunetti ihm lediglich, daß sein Interesse im Moment den Geldverleihern in der Stadt und ihrer zwielichtigen Existenz zwischen Erlaubt und Verboten gelte. Unter Danilos Kunden waren viele alte Frauen, und da die meisten eine Schwäche für ihn hatten, mußte er sich oft ihre endlosen Klatschgeschichten anhören. Liebenswürdig und geduldig, wie er war, hörte Danilo ihnen stets bereitwillig zu und hatte sich so im Lauf der Jahre eine Goldgrube an Klatsch und Gerüchten zugelegt, die
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