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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Angehörigen in der Stadt und hauste mit zwei Freunden in einer Wohnung hinter dem Campo San Polo, die der Polizei seit langem bekannt war.
    »Jetzt hast du's also getan, Gino!« schrie Brunetti ihn an. »Steh auf, hoch mit dir!«
    Zecchino hörte seinen Namen, erkannte aber die Stimme nicht. Er hörte auf zu winseln und wandte dem Sprecher das Gesicht zu. Aber er rührte sich nicht.
    »Ich sagte, steh auf!« schrie Brunetti, jetzt auf Veneziano und mit soviel Wut in der Stimme, wie er nur konnte. Er blickte auf Zecchino hinunter; selbst in diesem Halbdunkel sah man den Schorf auf beiden Handrücken, wo er seine Venen zu finden versucht hatte. »Steh auf, bevor ich dir einen Tritt in den Hintern gebe, daß du die Treppe runterfliegst.« Brunetti benutzte Ausdrücke, die er sein Leben lang in Bars und Arrestzellen gehört hatte, nur damit das Adrenalin der Angst weiter durch Zecchinos Adern strömte.
    Der junge Mann wälzte sich auf den Rücken, die Arme immer noch schützend um den Körper geschlungen, und drehte den Kopf der Stimme zu, ohne die Augen zu öffnen.
    »Sieh mich an, wenn ich mit dir rede«, befahl Brunetti.
    Zecchino drückte sich nach hinten an die Wand und sah durch halbgeschlossene Augen zu Brunetti auf, der im Schatten hoch über ihm aufragte. Mit einer einzigen fließenden Bewegung bückte Brunetti sich zu dem Jungen hinunter, packte ihn mit beiden Händen am Jackett und zog ihn hoch, was zu seiner Überraschung ganz leicht ging.
    Als Zecchino dicht genug an Brunettis Gesicht war, um ihn zu erkennen, riß er entsetzt die Augen weit auf und begann zu winseln: »Ich hab nichts gesehen. Ich hab nichts gesehen. Ich hab nichts gesehen.«
    Brunetti riß den Jungen grob zu sich heran und schrie ihm dabei ins Gesicht: »Was ist passiert? Los, was ist passiert?«
    Jetzt sprudelte es aus Zecchino heraus, emporgepreßt von seiner Angst: »Ich hab Stimmen von unten gehört. Die haben gestritten. Sie waren im Haus. Dann waren sie mal kurz still, dann fingen sie wieder an, aber gesehen hab ich keinen. Ich war da oben«, sagte er, und dabei zeigte er auf die Treppe zum Dachboden.
    »Was ist passiert?«
    »Weiß ich nicht. Ich hab sie hier raufkommen und rumbrüllen gehört. Aber dann hat mir meine Freundin Stoff gegeben, und ich weiß nicht, was danach noch passiert ist.« Er sah zu Brunetti auf, um zu ergründen, wieviel ihm dieser davon abnahm.
    »Ich will mehr hören, Zecchino«, sagte Brunetti. Sein Gesicht war so nah vor dem des jungen Mannes, daß er den fauligen Atem roch, der von schlechten Zähnen und jahrelanger schlechter Ernährung kam. »Ich will wissen, wer sie waren.«
    Zecchino machte schon den Mund auf, doch dann besann er sich und blickte zu Boden. Als er endlich wieder zu Brunetti aufsah, stand die Angst nicht mehr in seinen Augen, die einen völlig anderen Ausdruck bekommen hatten. Etwas Verschlagenes war in seinen Blick getreten.
    »Er war draußen, als ich wegging«, sagte er endlich. »Auf dem Boden.«
    »Hat er sich bewegt?«
    »Ja, er hat sich mit den Füßen weitergeschoben. Aber er hatte keine.«, begann Zecchino, doch die neue Verschlagenheit ließ ihn wieder innehalten.
    Er hatte genug gesagt. »Was hatte er nicht?« wollte Brunetti wissen. Als Zecchino nicht antwortete, schüttelte er ihn erneut, worauf der Junge ein kurzes, abgehacktes Schluchzen von sich gab. Seine Nase begann zu laufen, und es tropfte auf Brunettis Jackenärmel. Schnell ließ er Zecchino los, der rückwärts gegen die Wand taumelte.
    »Mit wem warst du hier?« fragte Brunetti.
    »Mit meiner Freundin.«
    »Was wolltet ihr hier?«
    »Bumsen«, sagte Zecchino. »Dafür kommen wir immer hierher.«
    Die Vorstellung war Brunetti widerwärtig.
    »Wer waren die Leute?« fragte Brunetti und machte erneut einen halben Schritt auf ihn zu.
    Der Überlebenstrieb hatte über Zecchinos Panik gesiegt, und Brunettis Vorteil war dahin, so schnell verflogen wie ein von Drogen erzeugtes Trugbild. Da stand er nun vor diesem menschlichen Wrack, das kaum älter war als sein Sohn, und wußte, daß jede Chance, aus Zecchino die Wahrheit herauszubekommen, zunichte war. Brunetti fand es langsam immer unerträglicher, mit Zecchino in einem Raum zu sein und dieselbe Luft atmen zu müssen wie er, aber er zwang sich, noch einmal ans Fenster zu gehen. Unten sah er das Straßenpflaster, auf das man Rossi geworfen und von wo er sich noch fortzuschleppen versucht hatte. Ein Bereich von mindestens zwei Metern um das Fenster herum war blankgefegt.

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