Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
Weder oben noch unten lagen Zementsäcke herum. Sie waren, wie die angeblichen Arbeiter, die man an diesem Fenster gesehen hatte, verschwunden und hatten keinerlei Spuren hinterlassen.

20
    B runetti verließ Zecchino vor dem Haus und machte sich auf den Heimweg, aber er fand keinen Trost in dem milden Frühlingsabend, auch nicht in dem langen Spaziergang am Wasser entlang, den er sich gönnte. Es war ein großer Umweg, den er da machte, aber er wollte die weiten Ausblicke, den Geruch des Wassers und das labende Gläschen Wein in einer kleinen Bar unweit der Accademia, um die Erinnerung an Zecchino loszuwerden, besonders an die verschlagene Art, die er gegen Ende ihres Gesprächs an den Tag gelegt hatte. Er dachte an Paola, die gesagt hatte, wie froh sie sei, daß sie an Drogen nie etwas gefunden hatte, weil sonst alles mögliche hätte passieren können; er selbst besaß nicht ihre Aufgeschlossenheit und hatte Drogen nie probiert, auch als Student nicht, als alle um ihn herum dieses oder jenes rauchten und ihm versicherten, nur so könne er seinen Geist von den beengenden Vorurteilen des Bürgertums befreien. Sie hatten sich nicht vorstellen können, wie sehr er damals nach bürgerlichen Vorurteilen strebte, nach allem Bürgerlichen überhaupt.
    Zecchino drängte sich immer wieder in sein Bewußtsein und machte ihm jeden klaren Gedankengang unmöglich. Am Fuß der Accademia-Brücke zögerte er kurz, entschied sich dann aber für einen großen Bogen, der ihn über den Campo San Luca führen würde. Er ging die Brücke hinauf, den Blick zu Boden. Dabei fiel ihm auf, wie viele der weißen Blenden an den Vorderkanten der Stufen schon abgerissen waren. Wann hatten sie diese Brücke erneuert? Vor drei Jahren? Zwei? Und schon waren so viele Stufen wieder reparaturbedürftig. Wieder wandten sich seine Gedanken von der Frage ab, auf welche Weise dieser Bauauftrag wohl zustande gekommen war, und dem zu, was Zecchino gesagt hatte, bevor er zu lügen anfing. Ein Streit. Rossi versucht verletzt zu entkommen. Und ein Mädchen, das bereitwillig mit Zecchino auf diesen Dachboden stieg, um sich ihm und den Drogen hinzugeben.
    Als er den Riesenschandfleck der Cassa di Risparmio vor sich sah, bog er nach links ab und kam an der Buchhandlung vorbei auf den Campo San Luca. Dort ging er in die Bar Torino, bestellte sich einen Gespritzten und trug das Glas ans Fenster, um von da aus die Leute zu beobachten.
    Von Signora Volpato oder ihrem Mann war nichts zu sehen. Er leerte sein Glas, stellte es auf den Tresen und gab dem Barmann ein paar Scheine.
    »Ich sehe Signora Volpato nicht«, meinte er beiläufig und deutete mit einer Kopfbewegung zum Campo hinaus.
    Der Barmann gab ihm den Kassenzettel nebst Wechselgeld und antwortete: »Nein, die sind normalerweise vormittags hier. Ab zehn.«
    »Ich habe nämlich etwas mit ihr zu besprechen«, sagte Brunetti in gewollt nervösem Ton und lächelte den Barmann unsicher an, als suchte er bei ihm Verständnis für eine menschliche Notlage.
    »Tut mir leid«, sagte der Barmann und wandte sich einem anderen Gast zu.
    Draußen bog Brunetti zweimal nach links ab und ging in die Apotheke, die um diese Zeit zumachte.
    »Ciao, Guido«, sagte Danilo, der Apotheker, der sein Freund war, und schloß die Tür hinter ihnen ab. »Wenn du mich hier noch schnell fertig machen läßt, können wir zusammen einen trinken gehen.« Schnell und mit der Lässigkeit langer Übung leerte der bärtige Mann die Kasse, zählte das Geld und brachte es in ein Zimmer hinter der Apotheke, wo Brunetti ihn umhergehen hörte. Kurz darauf kam er, schon in seiner Lederjacke, wieder heraus.
    Brunetti spürte die Neugier im Blick der sanften braunen Augen, sah den Beginn eines Lächelns. »Du siehst aus, als brauchtest du mal wieder Informationen«, sagte Danilo.
    »Lasse ich mir das so anmerken?«
    Danilo zuckte die Achseln. »Manchmal kommst du her und brauchst ein Medikament, dann machst du ein besorgtes Gesicht; manchmal kommst du, um ein Schlückchen zu trinken, dann wirkst du entspannt; aber wenn du Informationen brauchst, siehst du so aus«, sagte er, wobei er die Stirn in tiefe Falten legte und Brunetti anstierte wie einer, dem der Verstand abhanden gekommen ist.
    »Va là«, sagte Brunetti und mußte trotzdem grinsen.
    »Um was geht es denn«, fragte Danilo. »Oder besser, um wen?«
    Brunetti begab sich nicht zur Tür, weil er fand, daß sie dieses Gespräch doch besser in der geschlossenen Apotheke führen sollten als in einer

Weitere Kostenlose Bücher