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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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aber als sie dann hier lag, haben wir es gesehen.« Vianello blieb wieder stehen und blickte über die stillen Wasser der Lagune. »Er muß in Minutenschnelle verblutet sein, aber«, fügte er eingedenk seiner Stellung gleich hinzu, »das wird die Autopsie wohl klären.«
    »Mit wem haben Sie gesprochen?«
    Vianello klopfte an seine Jackentasche, in der er das Notizbuch hatte. »Die Namen stehen hier drin. Überwiegend Nachbarn. Ein paar Bootseigner, die mit ihnen gefischt haben - das heißt, die mit ihnen ausgefahren sind, denn ich habe nicht den Eindruck, daß der Fischfang für diese Leute eine Gemeinschaftsaufgabe ist.«
    »Hat Ihnen das jemand so gesagt?«
    Vianello schüttelte den Kopf. »Nein, gesagt hat überhaupt niemand etwas, jedenfalls nicht direkt. Aber immer hatte man dieses Gefühl, daß sie sich zum Reden zwingen mußten, als fühlten sie sich einerseits zur Loyalität untereinander verpflichtet, weil sie doch alle Fischer sind, während sie nach meinem Eindruck auf der anderen Seite jeden wegputzen würden, der irgendwo fischen will, wo sie selbst gerade fischen wollen oder wo sie irgendwelche Ansprüche zu haben glauben.«
    »Wegputzen?« fragte Brunetti.
    »Na ja, wie man so sagt«, antwortete Vianello. »Ich weiß noch nicht genau, wie hier die Dinge laufen, aber mir drängt sich dieses Gefühl auf: Es gibt hier zu viele Fischer und zuwenig Fisch. Und für die meisten ist es zu spät, um noch etwas anderes zu lernen.«
    Brunetti wartete, ob Vianello sonst noch etwas zu berichten hatte, aber der Sergente schien fertig zu sein, also sagte er: »Wenn man früher hier nach rechts ging, kam man zu einem Restaurant.«
    Vianello nickte. »Da habe ich vorhin einen Kaffee getrunken, während ich mich mit einem von den Leuten unterhielt.«
    »Es hat wohl keinen Sinn, wenn ich versuche, mich hier als Tourist auszugeben, oder?« fragte Brunetti.
    Vianello hatte für solchen Unfug nur ein Lächeln übrig. »Alle im Dorf haben Sie mit diesem Boot kommen sehen, und jetzt sieht man Sie mit mir hierher zurückkommen, Commissario. Sage mir, mit wem du gehst, und ich sage dir, wer du bist - mit Verlaub.«
    »Das heißt, wir können auch gleich zusammen hingehen und dort zu Mittag essen«, schlug Brunetti vor.
    Vianello führte ihn ins Dorf zurück. Bei der ersten Häuserreihe angekommen, hielt er vor den großen Fenstern eines Restaurants an. Er öffnete die Holztür, hielt sie für Brunetti auf und machte sie dann hinter sich wieder zu.
    Hinter einer mit Weißblech verkleideten Bar stand ein Mann mit langer Schürze und trocknete ein kleines Glas mit einem so großen Tuch ab, daß es für einen kleinen Tisch als Decke gereicht hätte. Er nickte zuerst Vianello, einen Sekundenbruchteil später dann auch Brunetti zu.
    »Können wir hier zu Mittag essen?« fragte der Sergente.
    Der Mann deutete mit dem Kopf zu einem Durchgang, dann widmete er sich wieder dem Glas und fuhr gewissenhaft mit seiner Arbeit fort.
    Der Durchgang neben der Bar war von einer Art, die Brunetti seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte: sehr schmal, und dicht mit langen, grünweißen, jeweils einen Zentimeter breiten und auf beiden Seiten geriffelten Plastik-bändern behängt. Als er die rechte Hand in diesen Vorhang steckte, um die eine Hälfte zurückzuschlagen, gaben sie tatsächlich auch dieses leise Schnalzen von sich, das er noch aus seiner Jugend kannte. Einstmals hatten alle Bars und alle Trattorien solche Vorhänge in den Eingängen gehabt, aber in den letzten Jahrzehnten waren sie alle verschwunden; er konnte sich schon gar nicht mehr erinnern, wann er den letzten gesehen hatte. Er hielt die immer noch schnalzenden Bänder fest, bis Vianello hindurch war, dann ließ er sie los und hörte sie in der Mitte zusammenschlagen.
    Der Raum, in den sie traten, war überraschend groß, es standen mindestens dreißig Tische darin. Die Fenster saßen hoch oben in den Wänden, und es strömte reichlich Licht durch sie herein. Darunter waren die Wände mit Fischernetzen geschmückt, jedes mit Muscheln, getrocknetem Seetang und offenbar versteinerten Fischen, Krabben und Hummern gespickt. Die eine Seitenwand wurde von einer niedrigen Anrichte eingenommen. An der Rückseite führte eine Glastür, die jetzt geschlossen war, auf einen geschotterten Parkplatz.
    Als Brunetti sah, daß nur ein weiterer Tisch besetzt war, schaute er kurz auf die Uhr und stellte erstaunt fest, daß es erst halb zwei war. Es schien doch etwas dran zu sein an dem verbreiteten

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