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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Gabel auf den Teller und trank einen Schluck Wein. »Fürchten Sie, mir den Appetit zu verderben, wenn Sie mir erzählen, welch schreckliche Umweltsünden mir in diesen Garnelen auflauern?« fragte er lächelnd.
    »Muscheln wären schlimmer«, antwortete Vianello, ebenfalls lächelnd, aber ohne sich um eine weitere Klarstellung zu bemühen.
    Ehe Brunetti ihn auffordern konnte, ihm die tödlichen Gifte aufzuzählen, die in Garnelen und Muscheln lauerten, holte der Kellner seinen Teller fort und war im Handumdrehen mit den beiden Pasta-Gerichten wieder da.
    Der Rest der Mahlzeit verlief harmonisch. Sie plauderten über Bekannte, die in den Gewässern um Pellestrina gefischt hatten, und über einen berühmten Fußballer aus Chioggia, den beide noch nie hatten spielen sehen. Als die Hauptgerichte kamen, konnte Vianello es zwar nicht lassen, Brunettis Teller mit einem argwöhnischen Blick zu bedenken, doch er ließ die Gelegenheit zu weiteren Kommentaren über die Muscheln aus. Brunetti legte seinerseits einen stummen Beweis für die Hochachtung ab, die er vor seinem Sergente hatte, indem er ihm weder berichtete, was er vor einem Monat in der Zeitung über die Aufzuchtmethoden in den kommerziellen Putenfarmen gelesen hatte, noch die auf den Menschen übertragbaren Krankheiten aufzählte, von denen diese Vögel gern befallen werden.

5
    N achdem sie ihren Kaffee getrunken hatten, bat Brunetti um die Rechnung. Als der Kellner zauderte, als wäre dies bei ihm eine Gewohnheit, über die er keine Gewalt hatte, fügte Brunetti hinzu: »Ich brauche keine Quittung.« Die Augen des Kellners wurden ganz groß: Da saß jemand, der Polizist sein mußte, und war bereit, dem Wirt beim Hinterziehen der Steuer behilflich zu sein, die jedesmal fällig war, wenn eine Quittung ausgestellt wurde. Brunetti sah, wie das den Kellner in ein Dilemma stürzte, das er schließlich mit den Worten löste: »Ich frage den Chef.«
    Ein paar Minuten später kam er mit einem Gläschen Grappa in jeder Hand zurück. »Zweiundfünfzigtausend«, sagte er, während er die Gläser auf den Tisch stellte. Brunetti zückte seine Brieftasche. Es war etwa ein Drittel dessen, was die Mahlzeit in Venedig gekostet hätte, und der Fisch war frisch gewesen, die Garnelen perfekt.
    Er entnahm seiner Brieftasche sechzigtausend Lire, und als der Kellner in die Tasche griff, um herauszugeben, winkte Brunetti mit einem leise gemurmelten Danke ab. Er hob sein Glas an die Lippen und trank ein Schlückchen von dem Grappa. »Sehr gut«, sagte er. »Bitte bestellen Sie dem Chef, daß wir uns bedanken.«
    Der Kellner nickte, nahm das Geld und wandte sich zum Gehen.
    »Sind Sie von hier?« fragte Brunetti ohne jeden Ver-such, die Frage belanglos klingen zu lassen.
    »Ja, Signore.«
    »Wir sind hier draußen wegen dieses Unfalls«, sagte Brunetti und deutete vage in Richtung Wasser. »Aber das wird Sie nicht besonders überraschen«, fügte er mit einem Lächeln hinzu.
    »Nein, das überrascht hier keinen«, antwortete der Kellner.
    »Kannten Sie die beiden?« fragte Brunetti. Er zog einen Stuhl unterm Tisch hervor und bedeutete dem Kellner, Platz zu nehmen. Das Paar an dem anderen Tisch war schon fort, und alle Tische waren bereits für die Silberhochzeit gedeckt, so daß es für den Kellner wenig zu tun gab. Er setzte sich also und drehte dabei den Stuhl so, daß er Brunetti ansehen konnte.
    »Marco habe ich gekannt«, sagte er. »Wir sind auf dieselbe Schule gegangen. Er war ein paar Jahrgänge nach mir, aber wir kannten uns, weil wir immer mit demselben Bus vom Lido zurückkamen.«
    »Wie war er denn so?« fragte Brunetti.
    »Gescheit«, antwortete der Kellner in ernstem Ton. »Sehr gescheit und sehr nett. Nicht wie sein Vater, nein, überhaupt nicht. Giulio hat nie mit irgendwem gesprochen, wenn es sich vermeiden ließ, aber Marco war freundlich zu allen Leuten. Mir hat er immer bei den Mathe-Hausaufgaben geholfen, obwohl er der jüngere von uns war.« Der Kellner legte die Geldscheine, die er noch in der Hand hatte, auf den Tisch, den Zehner neben den Fünfziger. »Bei mir hat's immer nur dafür gereicht, zwei solche Scheine zusammenzuzählen.« Und mit einem plötzlichen Lächeln, bei dem er kreidegraue Zähne entblößte, fuhr er fort: »Allerdings kam ich dabei meist auf fünfzig oder siebzig.« Er steckte die Geldscheine ein und warf einen Blick über die Schulter in Richtung Küche, von wo man plötzlich ein lautes Brutzeln und das Klappern eines Topfes auf dem Herd

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