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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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während er sich in Wahrheit die Zeit des Anrufs einprägte: Das würde Signorina Elettra die Arbeit erleichtern, wenn sie daranging, Sanpaolos Telefonate zu überprüfen.
    Ein paar Minuten später öffnete sich langsam die Tür zu Sanpaolos Büro, und ein Mann steckte den Kopf heraus und sagte, der Notar könne jetzt wieder hereinkommen. Die Sekretärin, die eben telefoniert hatte, antwortete, der Notar habe gerade einen Anruf aus Südamerika erhalten, werde aber gleich wieder zur Verfügung stehen. Der Mann zog den Kopf zurück und schloß die Tür hinter sich.
    Die Minuten verstrichen, und nach einer Weile erschien der Mann aus dem Büro wieder in der Tür und fragte, was los sei; die Sekretärin erkundigte sich, ob sie ihm und den anderen Herrschaften etwas zu trinken anbieten könne. Ohne auf ihr Angebot einzugehen, verschwand der Mann wieder im Büro und schloß die Tür, diesmal laut und vernehmlich.
    Als Sanpaolo nach mehr als zehn Minuten endlich wieder zum Vorschein kam, wirkte er nicht mehr so imposant wie zuvor. Die Sekretärin sagte etwas, doch er winkte sie mit dem Handrücken fort wie ein lästiges Insekt.
    Der Notar wandte sich an Brunetti. »Am Tag der Testamentsunterzeichnung ging ich zu Signora Jacobs in die Wohnung; zusammen mit meinen Sekretärinnen, und sie waren es auch, die die Unterschrift der Erblasserin beglaubigten.« Er sprach so laut, daß die Frauen ihn hören konnten; beide blickten denn auch erst Sanpaolo und dann Brunetti an und nickten brav.
    »Und wie kam es, daß Sie zu ihr nach Hause geholt wurden?« fragte Brunetti.
    »Sie rief mich an und bat mich zu kommen«, sagte Sanpaolo, aber er wurde rot dabei.
    »Hatten Sie zuvor schon für Signora Jacobs gearbeitet?« fragte Brunetti.
    In dem Moment öffnete sich abermals die Tür zu Sanpaolos Büro, aber diesmal steckte ein anderer Mann den Kopf heraus.
    »Na, was ist?« wandte er sich herrisch an Sanpaolo.
    »Zwei Minuten, Carlo«, versprach der Notar mit einem breiten Lächeln, das indes seine Augen nicht erreichte. Der Mann zog den Kopf zurück und knallte die Tür zu.
    Sanpaolo sah Brunetti entschuldigend an, aber der wiederholte seine Frage so gelassen, als hätte es keine Unterbrechung gegeben: »Waren Sie auch früher schon für Signora Jacobs tätig?«
    Die Antwort ließ lange auf sich warten. Brunetti beobachtete, wie der Notar erwog, Notizen oder Terminkalendereinträge zu fälschen, den Gedanken jedoch wieder verwarf. »Nein.«
    »Und wie kam es dann, daß die Signora von allen Notaren der Stadt gerade Sie ausgewählt hat, Dottor Sanpaolo?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Könnte es sein, daß jemand Sie empfohlen hat?«
    »Vielleicht.«
    »Ihr Großvater?«
    Sanpaolos Lider schlössen sich. »Vielleicht.«
    »Vielleicht oder ja, Dottore?« verlangte Brunetti zu wissen.
    »Ja.«
    Brunetti kämpfte die Verachtung nieder, die er für den anderen empfand, weil der so leicht eingeknickt war. Aber natürlich konnte in dieser Situation nichts abwegiger sein als der Wunsch nach einem stärkeren Gegner. Schließlich war das hier kein Spiel, kein Revierkampf unter Platzhirschen, sondern es ging darum, herauszufinden, wer Claudia Leonardo ein Messer in die Brust gestoßen und sie dann elend hatte verbluten lassen.
    »Sie sagten, Sie hätten das Testament mitgenommen.«
    Sanpaolo nickte.
    »Und wer hat es aufgesetzt?«
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte der Notar, und Brunetti glaubte ihm. Der Mann ängstigte sich offenbar dermaßen vor den Folgen seiner anfänglichen Finten, daß er den weiteren Fragen nicht mehr richtig folgen konnte.
    »Wer hat Ihnen die Formulierungen vorgegeben, die Sie in dem Testament verwenden sollten?«
    Wieder sah er Sanpaolo das Labyrinth von Gefahren durchirren, die ihm im Falle einer Falschaussage drohten. Mit einem Seitenblick maß der Notar seine Sekretärinnen, die beide ostentativ mit ihrem Computer beschäftigt waren, und er schien abzuwägen, wieweit er darauf vertrauen könne, daß sie ihn bei einer Lüge deckten und was man ihnen gegebenenfalls dafür abverlangen würde. Und Brunetti konnte zusehen, wie er sich von dem Gedanken verabschiedete.
    »Mein Großvater.«
    »Wie?«
    »Er rief mich einen Tag vorher an, um den Termin zu fixieren. Dann diktierte er Cinzia den Text am Telefon, und sie bereitete einen Entwurf vor, den ich der Signora vorgelegt habe.«
    »Wußten Sie irgend etwas über dieses Testament, bevor Ihr Großvater Sie anrief?«
    »Nein.«
    »Und die Signora? Hat sie aus

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