Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
geht es doch dem Mädchen.«
    »Ich sag dir doch, daß ich darauf erst antworten kann, wenn ich mehr weiß.«
    Sie musterte ihn lange, während ihre Rechte gedankenverloren mit einem Bügel ihrer Brille spielte. »Es klingt, als wüßtest du schon genug, um ihr eine Antwort zu geben.«
    »Daß es unmöglich ist?«
    »Ja.«
    »Wahrscheinlich«, sagte er.
    »Und warum erkundigst du dich dann noch bei meinem Vater? Aus Neugier vielleicht?« Als er nicht antwortete, fuhr sie mit plötzlich ganz sanfter Stimme fort: »Oder hat mein Ritter in der schimmernden Rüstung wieder sein edles Roß bestiegen, um für die Gerechtigkeit in die Schranken zu ziehen?«
    »Ach, hör auf, Paola«, sagte er und grinste verlegen. »Das klingt ja, als wäre ich ein ausgemachter Trottel.«
    »Nein, mein Lieber«, sagte sie und setzte ihre Brille wieder auf. »Das klingt ganz nach meinem Mann, dem Mann, den ich liebe.« Den Gesichtsausdruck, der diese Worte begleitete, verbarg Paola, indem sie sich über ihre Papiere beugte. »Und jetzt geh in die Küche, und mach den Wein auf. Ich komme nach, sobald ich dieses Referat durchkorrigiert habe.«
    Brunetti wünschte, seine Kinder könnten sehen, wie prompt er die Weisung ihrer Mutter befolgte, und sich ein Beispiel daran nehmen. Er holte eine Flasche Chardonnay aus dem Kühlschrank, stellte sie auf die Arbeitsplatte und suchte in der Schublade nach einem Korkenzieher. Doch dann überlegte er es sich anders und vertauschte den Wein mit einem Prosecco. »Denn der Arbeiter ist sein Speis und Trank wert«, murmelte er vor sich hin, als er den Korken knallen ließ. Dann zog er sich mit Glas und Flasche ins Wohnzimmer zurück, um dort womöglich in Ruhe den Gazzettino zu Ende zu lesen.
    Zwanzig Minuten später versammelte sich die Familie um den Mittagstisch. Der Streit um die CD war anscheinend beigelegt - zu Chiaras Gunsten, wie Brunetti inbrünstig hoffte. Sie ließ sich wenigstens noch von ihren Eltern zur Benutzung eines Discmans anhalten; Raffi dagegen hatte sich letztes Jahr eine kleine Stereoanlage für sein Zimmer gekauft und beschallte seither die Familie sowie die Außenwelt in einem Radius von fünfzig Metern mit einer Musik, die Brunetti sehnsüchtig an die Tinnitus-Symptome denken ließ, von denen er einmal gelesen hatte: ein stetes mechanisches Dröhnen oder Summen im Ohr, das jedes andere Geräusch überlagert.
    Passend zur Jahreszeit hatte Paola ihren Risotto di zucca ganz zum Schluß mit grob geraspeltem Ingwer bestreut, dessen Schärfe indes durch den Stich Butter und den geriebenen Parmesan, die zuvor in den Topf gewandert waren, aufs angenehmste gemildert wurde. Angesichts dieser raffinierten Geschmackskomposition verlor Raffis Synthesizermusik all ihren Schrecken für den Commissario, und die mit Salbei und Weißwein gegrillte Hähnchenbrust, die dem Risotto folgte, setzte besagter Musik etwas entgegen, das Brunetti wie Engelsgesang dünkte.
    Er legte die Gabel hin und wandte sich an seine Frau. »Bring mir einen Braeburn-Apfel, eine dünne Scheibe Montasio-Käse und ein Glas Calvados«, sagte er, »und ich behänge dich mit Diamanten so groß wie Walnüsse, lege dir trüffelweiße Perlen zu Füßen und pflücke dir Smaragde in Kiwigröße...«
    »Oh, papà !« fiel ihm Chiara ins Wort. »Du denkst immer nur ans Essen.« Aus dem Munde der gefräßigen Chiara war das schamlose Heuchelei, aber bevor Brunetti seine Tochter zurechtweisen konnte, stellte Paola ihm eine große Schale Äpfel hin. »Außerdem«, fuhr Chiara fort, »wer könnte schon einen Smaragd so groß wie eine Kiwi tragen?«
    Sein Gedeck verschwand und wurde durch einen sauberen Obstteller nebst Besteck ersetzt.
    »Mamma würde ihn sowieso nur als Briefbeschwerer benutzen.« Raffi griff nach einem Apfel, biß hinein und fragte, ob er schon aufstehen und seine Matheaufgaben fertigmachen dürfe.
    »Wenn ich vor drei Uhr auch nur einen Ton von diesem infernalischen Krach höre, dann komme ich und durchbohre dir das Trommelfell mit Bambussprossen, auf daß du ewig taub bleibst«, drohte seine liebende Mutter, nachdem sie ihm mit einem Nicken erlaubt hatte aufzustehen. Nun wußte Brunetti, wer den Streit um die CD gewonnen hatte. Raffi schnappte sich noch zwei Äpfel und trollte sich, gefolgt von Chiara, die rasch hinter ihm herschlüpfte.
    »Du verwöhnst ihn«, sagte Brunetti, während er sich eine nicht besonders dünne Scheibe Montasio abschnitt. »Ich finde, du solltest strenger sein und vielleicht damit drohen, ihm

Weitere Kostenlose Bücher