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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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distanzierter Schwiegervater je so abrupt die Contenance verloren hätte, fragte sich, welche besonderen Erfahrungen den Conte derart heftig auf diese weit zurückliegenden Ereignisse reagieren ließen. Allein, dies war kaum der Zeitpunkt, seiner Neugier zu frönen, weshalb er sich damit begnügte, dem Conte nochmals zu danken und ihm die Hand zu schütteln, bevor er den Palazzo Palier verließ und zum Mittagessen in sein bescheideneres Heim zurückkehrte.

7
    Z u Hause traf er die Kinder in einem Streit an. Sie standen in der Tür zum Wohnzimmer, zankten sich lautstark und nahmen kaum Notiz von ihm. Dank jahrelanger Erfahrung mit ihren Kabbeleien hörte Brunetti heraus, daß sie diesmal nicht mit Leib und Seele dabei waren, sondern sich nur pro forma bekriegten, etwa nach Art der Walrösser, die sich damit begnügen, aus dem Wasser aufzutauchen und dem Gegner die Stoßzähne zu zeigen. Sobald einer zurückweicht, läßt auch der andere sich zurückplumpsen und schwimmt davon. Bei dem Streit ging es um eine CD, deren Besitz nicht nur umstritten, sondern momentan auch geteilt war: Raffi hatte die Disk in der Hand, Chiara die Plastikhülle.
    »Die hab ich vor einem Monat im Tempio della Musica gekauft«, beharrte Chiara.
    »Du spinnst! Die hat Sara mir zum Geburtstag geschenkt«, widersprach Raffi.
    Brunetti gratulierte sich zu seiner Selbstbeherrschung, als er nicht vorschlug, nach dem alten Richtspruch zu verfahren und die Heulboje einfach in der Mitte durchzuschneiden. Statt dessen fragte er nur: »Ist eure Mutter in ihrem Arbeitszimmer?«
    Chiara nickte, ging jedoch gleich wieder in Kampfstellung. »Ich will sie aber jetzt abspielen«, hörte Brunetti sie noch sagen, während er den Flur entlangschritt.
    Die Tür zu Paolas Arbeitszimmer stand offen. Also trat er ohne weiteres ein und fragte: »Gewährst du mir Asyl?«
    »Hmmm?« Paola blickte von den Papieren auf ihrem Schreibtisch auf und starrte ihn durch die Lesebrille an, als ob sie nicht recht wisse, wer der Mann sei, der da unangemeldet hereinspaziert kam.
    »Ob du mir Asyl gewährst, hab ich gefragt.«
    Sie nahm die Brille ab. »Liegen die beiden sich etwa immer noch in den Haaren?« Gleichsam den Kompositionsprinzipien einer Haydn-Symphonie gehorchend, war das Gezänk der Kinder unterdessen ins Adagio abgeglitten. In Erwartung des unvermeidlichen Allegro tempestoso schloß Brunetti vorsorglich die Tür, bevor er auf dem Sofa an der Wand Platz nahm.
    »Ich habe mit deinem Vater gesprochen.«
    »Worüber?«
    »Die Sache mit Claudia Leonardo.«
    »Was für eine ›Sache‹?« wollte sie wissen und dachte offenbar nicht daran, ihn zu fragen, woher er den Namen des Mädchens kenne.
    »Na, das mit dem Großvater und seinen kriminellen Machenschaften während des Krieges.«
    »Kriminell?« wiederholte Paola, nun doch neugierig geworden.
    Brunetti rekapitulierte in groben Zügen, was Claudia ihm erzählt und was er von seinem Schwiegervater erfahren hatte.
    Als er zu Ende war, sagte Paola: »Ich glaube kaum, daß es Claudia recht wäre, wenn die Geschichte publik wird. Sie hat mich gefragt, ob sie mit dir reden kann, aber ich halte sie nicht für jemanden, der seine Familienangelegenheiten gern in die Öffentlichkeit trägt.«
    »Von in die Öffentlichkeit tragen kann doch wohl kaum die Rede sein, wenn ich mich mit deinem Vater bespreche«, gab Brunetti unwirsch zurück.
    »Du weißt, was ich meine«, erwiderte sie in dem gleichen Ton. »Ich bin davon ausgegangen, daß ihr Gespräch mit mir vertraulich war.«
    »Du bist davon ausgegangen, aber ich nicht«, sagte Brunetti, gespannt, wie Paola darauf reagieren würde. »Sie hat mich in der Questura besucht, also weiß sie, daß ich Polizist bin. Wie hätte ich ihr ohne nähere Informationen antworten sollen?«
    »Soweit ich mich erinnere, war ihre Frage rein hypothetisch.«
    »Trotzdem mußte ich mehr über die Sache wissen, um ihr eine Antwort geben zu können.« Brunetti, dem es vorkam, als ob er das nun schon zum hundertsten Mal erklärte, merkte wohl, wie sehr ihr Disput dem Gezänk ähnelte, das er beim Betreten der Wohnung mit angehört hatte und das, wie er erleichtert feststellte, offenbar inzwischen beigelegt war. »Hör zu«, sagte er, um Aussöhnung bemüht, »dein Vater hat gesagt, er hilft mir gern, die alten Spuren zu verfolgen und Licht ins Dunkel zu bringen.«
    »Aber siehst du überhaupt eine Chance, daß der Großvater in irgendeiner Form rechtsgültig rehabilitiert wird?« fragte sie. »Nur darum

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