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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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lakonisch hinzu.
    »Klingt ziemlich theoretisch«, bemerkte Brunetti.
    »Ich weiß«, räumte sie ein. »Aber so war eben mein Eindruck.«
    »Hast du ihre Referate noch?«
    »Die, die sie für mich geschrieben hat?«
    »Ja.«
    »Natürlich. Liegen alle im Archiv.«
    »Ob es was bringen würde, sie durchzusehen?« Paola dachte lange nach, bevor sie darauf antwortete. »Wahrscheinlich nicht. Wenn ich sie jetzt läse - oder du -, würden wir nur nach Dingen suchen, die vielleicht gar nicht drinstehen. Ich denke, du kannst meinem allgemeinen Eindruck vertrauen und davon ausgehen, daß sie ein nettes, hochherziges Mädchen war, das noch an das Gute im Menschen glaubte.«
    »Und dafür erstochen wurde.«
    »Dafür?«
    »Nein, das hab ich nur so gesagt«, gab Brunetti zu. »Ich fände es furchtbar, wenn eins das andere zur Folge hätte.« Zwar glaubten beide voller Stolz, daß die gleichen Eigenschaften, die Paola dem toten Mädchen zugeschrieben hatte, auch ihre Tochter besäße. Aber vielleicht aus Bescheidenheit, wohl eher jedoch aus abergläubischer Furcht, wagte keiner es auszusprechen. Statt dessen stellte Brunetti sein Glas auf den Boden und döste ein, während Paola ihre Brille aufsetzte und alsbald in jenen Trancezustand hinüberdämmerte, in den die Lektüre unausgegorener Studentenreferate ein Erwachsenenhirn unweigerlich versetzt.

14
    Z urück in der Questura, schaute Brunetti bei Signorina Elettra vorbei, die gerade telefonierte, und zwar auf französisch. Mit erhobener Hand bedeutete sie ihm zu warten, sprach wieder in die Muschel, lachte und legte auf.
    Er verbot sich jede Frage nach dem Telefonat und wollte nur wissen, ob Bocchese ihr die Unterlagen heraufgebracht habe.
    »Ja, Signore. Und ich habe auch schon jemanden darauf angesetzt.«
    »Was heißt das?«
    »Mein Freund kümmert sich drum« - sie nickte zum Telefon hin -, »aber vor Schalterschluß werde ich wohl kaum von ihm hören.«
    »Genf?« fragte er.
    » Oui .«
    Mannhaft enthielt er sich eines Kommentars, hakte auch nicht weiter nach, sondern ging mit einem lakonischen »Ich bin in meinem Büro« nach oben.
    Er trat ans Fenster und blickte auf die beiden gelben Kräne, die nun schon so lange über der San-Lorenzo-Kirche aufragten, daß man sie fast für ein Paar Engelsflügel hätte halten mögen, die sich zu beiden Seiten des Kirchenschiffs emporschwangen. Nach Brunettis Erinnerung waren sie schon dagewesen, als er zur Questura kam, aber so lange konnte doch keine Restaurierung dauern? Hatte er die Kräne überhaupt je bei der Arbeit gesehen oder wenigstens in einer anderen Position als heute? Brunetti verweilte geraume Zeit bei diesen Betrachtungen, indes sein Kriminalistenhirn unermüdlich den Fall Claudia Leonardo durchbuchstabierte.
    Die stählernen Engelsflügel draußen vor dem Fenster erinnerten ihn an den Engel auf einem Gemälde, das an der Wand hinter Signora Jacobs Sessel hing, ein Werk der flämischen Schule, auf dem der Cherub so scheelsüchtig und unglücklich dreinblickte, als sei er zum Schutzengel der leibhaftigen Tugend bestellt und langweile sich entsetzlich dabei.
    Wieder wählte Brunetti Leles Nummer, und als der Maler sich meldete, fragte er ohne jede Einleitung: »Hast du vielleicht mal munkeln hören, die Österreicherin könnte die bewußten Bilder und Zeichnungen bei sich zu Hause verwahren?«
    Er rechnete damit, daß Lele ihn fragen würde, warum er das wissen wolle, aber der Maler antwortete bloß: »Solche Gerüchte kursierten natürlich immer wieder. Aber soviel ich weiß, hat noch keiner ihre Wohnung von innen gesehen, es sind also nur Spekulationen, und du weißt ja, was davon zu halten ist. Die Leute tratschen in einem fort, auch wenn sie von nichts eine Ahnung haben, und sie übertreiben ständig.« Es entstand eine lange Pause, und Brunetti hörte förmlich, wie die Gedanken in Leles Kopf klickten. »Und wenn doch einer drin war«, resümierte er schließlich, »und was gesehen hat, dann würde er wohl kaum darüber sprechen.«
    »Warum denn nicht?«
    Lele lachte oder stieß vielmehr jenes spöttische Schnauben aus, das Brunetti so vertraut war. »Weil derjenige hofft, wenn er nur dichthält, würde niemand sonst neugierig werden auf das, was die Jacobs in ihren vier Wänden hortet.«
    »Ich verstehe immer noch nicht.«
    »Nun, sie wird nicht ewig leben, Guido.«
    »Und weiter?«
    »Wenn sie die Bilder tatsächlich hat, dann wird sie vor ihrem Tod vielleicht ein paar davon zu Geld machen, und bei so einem

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