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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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die Prunkfassaden der Palazzi am Ufer und ließ den Besuch bei Filipetto Revue passieren. Im Zimmer des Alten war es so dämmrig gewesen, daß er nicht viel wahrgenommen hatte, aber was er sehen konnte, ließ keineswegs auf Reichtümer schließen. Dabei gehörten Notare angeblich zu den wohlhabendsten Bürgern des Landes, und das Notariat der Filipettos wurde seit Generationen im engsten Familienkreis weitervererbt. Trotzdem verrieten das Zimmer oder seine Ausstattung keine Spur von Luxus.
    Das Jackett des Alten war an den Ärmelaufschlägen durchgescheuert; die Kleidung der Frau zeichnete sich, wenn überhaupt, nur durch triste Farblosigkeit aus. Weil sie ihn direkt zu Filipetto geführt hatte, konnte Brunetti sich kein Bild von der Größe der Wohnung machen, aber er hatte einen flüchtigen Blick in den Hauptflur erhascht, und dessen Länge ließ auf eine stattliche Zimmerflucht schließen. Außerdem war ein armer Notar so unvorstellbar wie ein zölibatärer Priester.
    Zu Hause fragte Paola ihn zwar nicht direkt, wie er mit dem Fall vorankomme, aber Brunetti spürte ihre Neugier, und so begann er, während sie die Pasta ins sprudelnde Wasser gab, von Filipetto zu erzählen. Neben dem Nudeltopf köchelten in einer Pfanne Tomaten mit, soweit er es erkennen konnte, schwarzen Oliven und Kapern. »Wo hast du denn so große Kapern her?«
    »Saras Eltern waren eine Woche auf Salina, und ihre Mutter hat mir ein halbes Kilo mitgebracht.«
    »Ein ganzes Pfund?« staunte er. »So viel können wir doch gar nicht essen.« »Sie sind eingesalzen, die halten sich«, beruhigte ihn Paola. Dann sagte sie: »Vielleicht solltest du dich bei meinem Vater nach ihm erkundigen.«
    »Filipetto?«
    »Ja.«
    »Was weiß denn dein Vater über den Notaio?«
    »Frag ihn.«
    »Hm... wie lange brauchst du noch für...?« begann Brunetti, aber Paola unterbrach ihn und sagte: »Warte mit dem Anruf bis nach dem Essen. Das könnte ein längeres Gespräch werden.«
    Da Brunetti es kaum erwarten konnte, seinen Schwiegervater zu befragen, wurde den Kapern und erst recht der Pasta nicht ganz die Wertschätzung zuteil, die er ihnen normalerweise gezollt hätte. Und sowie der Nachtisch, von dem er kaum gekostet hatte, abgeräumt war, zog der Commissario sich ins Wohnzimmer zurück und rief den Conte an.
    Als der Name Filipetto fiel, überraschte sein Schwiegervater ihn mit dem Vorschlag: »Vielleicht könnten wir das persönlich besprechen, Guido.«
    »Wann?« erkundigte sich Brunetti prompt.
    »Ich reise morgen früh nach Berlin und komme erst am Wochenende zurück.«
    Bevor der Conte einen späteren Termin vorschlagen konnte, fragte Brunetti: »Hättest du jetzt Zeit?«
    »Es ist nach neun«, sagte der Conte, aber es klang nicht vorwurfsvoll, nur wie eine Feststellung.
    »Ich könnte in einer Viertelstunde da sein«, beharrte Brunetti.
    »Also gut. Wenn du meinst«, versetzte Orazio und legte auf.
    Brunetti brauchte weniger als fünfzehn Minuten, obwohl er Paola zuvor noch erklären mußte, wo er hin wollte, und daraufhin die Grüße und besten Wünsche an ihre Eltern entgegenzunehmen hatte, die sie ihm so dringlich auftrug, als würde sie nicht mindestens einmal täglich mit ihnen sprechen.
    Der Conte empfing ihn in seinem Arbeitszimmer. Er trug einen dunkelgrauen Anzug mit dezenter Krawatte. Brunetti fragte sich mitunter, ob die Hebamme, die den Erben der Faliers entbunden hatte, wohl erschrocken war, als das Neugeborene bereits in dunklem Anzug mit Krawatte zur Welt kam - ein skurriler Gedanke, den er sich Paola gegenüber nie zu äußern traute.
    Brunetti kostete den Grappa, den der Conte ihm anbot, nickte anerkennend, nahm dann auf einem der Sofas Platz und fragte ohne Umschweife: »Filipetto?«
    »Was willst du über ihn wissen?«
    »Seine Telefonnummer stand im Adreßbuch der jungen Frau, die letzte Woche ermordet wurde. Du hast es sicher in der Zeitung gelesen.«
    Der Conte nickte. »Aber du verdächtigst doch wohl nicht den Notaio, sie ermordet zu haben?« sagte er mit einem leisen Lächeln.
    »Nein, das nicht. Ich glaube kaum, daß er noch imstande ist, ohne fremde Hilfe seine Wohnung zu verlassen. Ich habe ihn heute gesprochen und ihm das mit der Telefonnummer erzählt, aber er bestreitet, das Mädchen gekannt zu haben.« Als der Conte darauf nichts erwiderte, fuhr Brunetti fort: »Doch mein Instinkt sagt mir, daß er lügt.«
    »Typisch Filipetto«, rief der Conte. »Die lügen wie gedruckt, alle miteinander, die ganze Sippe, das war schon

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