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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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immer so.«
    »Das ist, gelinde gesagt, ein vernichtendes Urteil«, meinte Brunetti.
    »Aber nichtsdestotrotz die Wahrheit.«
    »Wie lange kennst du die Familie schon?« fragte Brunetti, dem an Fakten ebenso gelegen war wie an der persönlichen Meinung seines Schwiegervaters.
    »Wohl mein Leben lang, zumindest dem Namen nach. Ein direkter Kontakt ergab sich allerdings erst, als ich aus dem Exil zurückkam. Nach dem Krieg haben die Filipettos gelegentlich bei Immobilienkäufen meiner Familie als Notare fungiert.«
    »In eurem Auftrag?«
    »Nein!« sagte der Conte entschieden. »Für die Verkäufer.«
    »Und für eure Familie haben sie nie gearbeitet?«
    »Einmal«, entgegnete der Conte schroff. »Ganz zu Anfang.«
    »Was ist passiert?«
    Der Conte nippte an seinem Grappa, prüfte den Geschmack und ließ sich mit der Antwort reichlich Zeit. »Du wirst es mir nicht übelnehmen, wenn ich nicht ins Detail gehe«, sagte er endlich - eine Reverenz an ihr gemeinsames Credo, wonach sich Auskünfte über Geldgeschäfte stets auf ein absolutes Minimum beschränken sollten. Brunetti dachte an Leles Weigerung, Brisantes am Telefon zu erörtern, und er fragte sich, ob Mißtrauen allmählich zu einem genetischen Merkmal der Italiener mutiere. »Beim Kauf einer bestimmten Immobilie hatten wir uns auf die Zusicherung Filipettos verlassen, das Haus sei im Grundbuch auf einen seiner Erben eingetragen. Mein Vater ging darauf ein und übergab dem Erben eine vereinbarte Summe als Anzahlung.« Hier stockte der Conte und ließ Brunetti Zeit für die Schlußfolgerung, daß die Zahlung in bar erfolgt war, ohne Quittung, höchstwahrscheinlich mit unversteuertem Geld und daß der Conte die Angelegenheit deshalb nicht hatte am Telefon besprechen wollen. »Und dann, als das Geschäft platzte und der Fall vor Gericht kam, stellte sich heraus, daß diese Person nicht nur keinen Rechtsanspruch auf die Immobilie hatte, sondern daß Filipetto hierüber vollkommen im Bilde war und es vermutlich von Anfang an gewußt hatte. Ich habe nie erfahren, wessen Idee es war, seine oder die des Erben, aber ich bin sicher, daß sie halbpart gemacht und sich das ergaunerte Geld geteilt haben.« Brunetti war erstaunt, wie gefaßt Stimme und Mimik des Conte blieben. Aber vielleicht war für jemanden, der sein Leben lang in den Untiefen des Finanzhandels herumgepaddelt ist, irgendwann auch der Hai bloß noch ein Fisch wie jeder andere. »Seit der Zeit«, schloß der Conte, »habe ich mit Filipetto keine Geschäfte mehr gemacht.«
    Brunetti sah auf die Uhr und stellte fest, daß es schon nach zehn war. »Wann mußt du morgen aufbrechen?« fragte er.
    »Nicht so wichtig. Ich brauche nicht mehr viel Schlaf. Auch dieses Bedürfnis scheint, wie so manches andere, mit dem Alter abzunehmen.«
    Beim Stichwort Alter mußte Brunetti unwillkürlich an Signora Jacobs denken. »In diesen Fall ist übrigens noch eine alte Österreicherin verwickelt«, sagte er. »Eine gewisse Hedwig Jacobs. Kennst du die vielleicht auch?«
    »Der Name kommt mir bekannt vor«, sagte der Conte, »aber ich kann mich nicht erinnern, wo oder wann sie mir begegnet sein könnte. Was hat sie denn mit deinem Fall zu tun?«
    »Sie war Guzzardis Geliebte.«
    »Dann tut sie mir leid, selbst wenn sie Österreicherin ist.«
    »Egal, wo sie herstammt, sie hat all die Jahre treu zu ihm gehalten.« Brunetti war selbst überrascht, wie eilfertig er sich zum Verteidiger der alten Frau aufschwang. Als der Conte nichts erwiderte, sagte er fast beschwörend: »Seitdem sind fünfzig Jahre vergangen.«
    Der Conte dachte eine Weile nach. »Ja«, meinte er dann, erhob sich seufzend, trat an den Getränkeschrank und kam mit der Grappaflasche zurück. Als er beide Gläser nachgefüllt hatte, stellte er die Flasche zwischen sich und Brunetti auf den Tisch und nahm wieder Platz. »Fünfzig Jahre«, wiederholte er, und der Commissario war betroffen von der Trauer in seiner Stimme.
    Vielleicht lag es an der späten Stunde, der seltenen Vertrautheit ihres Beisammenseins in dem stillen Palazzo, oder vielleicht war es auch bloß der Grappa - jedenfalls fühlte Brunetti sich plötzlich von einer fast überströmenden Zuneigung zu diesem Mann durchdrungen, den er seit so vielen Jahren kannte und doch nie wirklich kennengelernt hatte.
    »Bist du stolz auf das, was du im Krieg gemacht hast?« entfuhr es Brunetti spontan, und er war selbst nicht minder erstaunt über die Frage als der Conte.
    Falls er annahm, sein Schwiegervater müsse

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