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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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von denen würde man doch was anderes erwarten.«
    »Dafür müßten sie ihrem alten Glauben abschwören, und der Preis wäre ihnen wohl zu hoch, fürchte ich. Wer sich mit all seiner Liebe und Treue an solche Ideen hängt, dem ist es schlechterdings unmöglich, im nachhinein einzugestehen, von welchem Wahnsinn sie getragen waren.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, räumte Vianello ein, aber ganz überzeugt klang das nicht. Unterdessen waren sie bis zur Riva degli Schiavoni gekommen und wandten sich der Piazza zu.
    »Es mag sich seltsam anhören«, begann Vianello wieder, »aber in den letzten Jahren treffe ich immer öfter auf Leute, die mir Sachen erzählen, wonach ich diese Typen nur für verrückt halten kann. Ich meine ernsthaft verrückt.«
    Brunetti, dem solche Erfahrungen nicht fremd waren, fragte bloß: »Was denn für Sachen?«
    Vianello erwog die Antwort so gründlich, als habe er noch mit niemandem hierüber gesprochen. »Nun ja, man redet mit Leuten, die sich Sorgen machen über das Ozonloch und darüber, was aus ihren Kindern und den künftigen Generationen werden soll, und dann erzählen sie mir, sie hätten sich grade einen dieser Riesenschlitten gekauft, Sie wissen schon, wie die Amerikaner sie fahren.« Er paßte sich Brunettis Schritt an, überlegte einen Moment und fuhr dann fort: »Ganz zu schweigen von religiösen Wahnvorstellungen wie der, daß Padre Pio geheilt wurde, weil ein Hubschrauber mit einer Statue über sein Kloster geflogen ist.«
    »Was?« fragte Brunetti, der das für eine Episode aus einem Fellini-Film gehalten hatte.
    »Also ganz gleich, was für Legenden über ihn kursieren: Er war ein Spinner, aber die Leute wollen partout einen Heiligen aus ihm machen. Ja«, bekräftigte Vianello, als sehe er endlich klar, »das sind so Beispiele. Und wenn die Leute so was alles glauben können, dann frage ich mich wirklich, ob die Welt nicht langsam komplett verrückt wird.«
    »Meine Frau behauptet, sie könne das Verhalten ihrer Mitmenschen leichter ertragen, wenn sie sich uns als Wilde mit telefonino am Ohr vorstellt«, sagte Brunetti.
    »Im Ernst?« fragte Vianello, aber es klang eher neugierig als zweifelnd.
    »Das ist bei meiner Frau immer sehr schwer zu entscheiden«, räumte Brunetti ein. Und dann, um das Gespräch auf den Besuch bei Filipetto zurückzulenken, fragte er: »Na, und was hatten Sie für einen Eindruck?«
    »Er hat das Mädchen gekannt, das ist mal sicher«, sagte Vianello.
    Brunetti war froh, seinen Verdacht bestätigt zu finden. »Und was halten Sie von der Frau?«
    »Ich habe mehr auf den Alten geachtet.« »Apropos: Wie alt würden Sie sie schätzen?« forschte Brunetti weiter.
    »Fünfzig? Sechzig? Warum fragen Sie?«
    »Weil ich gern wüßte, in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis sie zu ihm steht.«
    »Sie glauben, die Frau ist mit ihm verwandt?«
    »Ja. Er hat sie nicht wie eine Angestellte behandelt.«
    »Sie mußte Ihnen den Stuhl zurechtrücken«, wandte Vianello ein.
    »Ich weiß. Zuerst dachte ich auch, sie sei eine Hausangestellte. Aber mit denen springt man nicht so um: Zu Dienstboten ist man höflicher als zur eigenen Familie.« Brunetti wußte das, weil er seit vielen Jahren mitbekam, wie Paolas Familie ihr Personal behandelte, aber das mochte er Vanello nicht erklären.
    »Sein Name stand nicht in ihrem Adreßbuch, oder?« fragte Vianello.
    »Nein, nur die Telefonnummer.«
    »Hat Signorina Elettra die Telecomlisten abgerufen, um festzustellen, wie oft das Mädchen mit ihm telefoniert hat?«
    »Sie ist grade dabei.«
    »Wäre interessant zu wissen, warum sie ihn angerufen hat, nicht?«
    »Besonders, da er sie gar nicht gekannt haben will«, stimmte Brunetti zu.
    Erst als sie über die Piazza schlenderten, fiel Brunetti ein, daß Vianellos Heimweg ja in die andere Richtung lag. Also blieb er stehen und sagte: »Ich denke, ich fahre mit dem Vaporetto weiter. Hätten Sie Lust, noch was zu trinken?«
    »Aber doch nicht hier.« Vianellos Blick schweifte über Taubenschwärme und Touristenscharen - eine Spezies so lästig wie die andere. »Fehlt bloß noch, daß Sie Harry's Bar vorschlagen.«
    »Ich glaube, da kommt außer den Touristen keiner rein«, sagte Brunetti.
    Vianello lachte schallend. »Ein Venezianer in Harry's Bar, alles was recht ist!« Und dann sagte er noch, er wolle zu Fuß heimgehen.
    Brunetti, der es weiter hatte, lief zur nächsten Anlegestelle und nahm die Linie Eins nach San Silvestro. Während der Fahrt blickte er zerstreut auf

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