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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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herauskommen würde.«
    »War denn das geplant?« fragte Brunetti und setzte dann erläuternd hinzu: »Ich meine, als er eingeliefert wurde, hat er oder haben Sie da geglaubt, daß man ihn wieder freilassen würde?«
    »Das war die Vereinbarung«, sagte sie.
    »Mit wem?«
    »Warum stellen Sie mir all diese Fragen?«
    »Weil ich verstehen möchte - ihn, die Vergangenheit.«
    »Warum?«
    Das liegt doch wohl auf der Hand, dachte er. »Weil es mir weiterhelfen könnte.«
    »Sie meinen Claudia?« fragte sie. Und er wünschte, er hätte wenigstens einen Funken Hoffnung in ihrer Stimme gehört. Allein, er wußte, daß sie zu alt war, um aus irgend etwas, das nach dem Tode kam, Hoffnung zu schöpfen.
    Brunetti beschloß, ihr die Wahrheit zu sagen, nichts zu beschönigen, und darum begnügte er sich mit einem zurückhaltenden: »Vielleicht«, ehe er auf seine ursprüngliche Frage zurückkam. »Was war das für eine Vereinbarung? Und mit wem wurde sie getroffen?«
    Sie zündete sich die nächste Zigarette an und rauchte sie halb auf, bevor sie bereit war zu antworten. »Mit den Richtern. Es hieß, er solle ein umfassendes Geständnis ablegen, dann, nach seinem Zusammenbruch, würde man ihn nach San Servolo schicken, wo er ein, zwei Jahre zu bleiben hätte, und wenn Gras über die Sache gewachsen wäre, würde er wieder freikommen.« Sie nahm einen letzten Zug und drückte die Zigarette zwischen den Stummeln im Aschenbecher aus. »Und zu mir zurückkehren«, ergänzte sie. Und nach einer langen Pause: »Das war alles, was ich wollte.«
    »Aber was geschah statt dessen?«
    Sie studierte Brunettis Gesicht, bevor sie antwortete. »Sie sind zu jung, um über San Servolo Bescheid zu wissen, darüber, was wirklich dort geschah.«
    Er nickte.
    »Ich habe es nie erfahren. Eines Samstagmorgens kam ich hin... ich fuhr jede Woche hinaus, auch wenn sie mir keine andere Auskunft gaben, als daß ich ihn nicht sehen könne, und mich wieder heimschickten. Aber an dem Tag sagten sie mir, er sei gestorben.« Sie stockte und sah hinunter auf ihre Hände, die untätig in ihrem Schoß ruhten. Sie kehrte die Handflächen nach oben, betrachtete sie und rieb dann mit drei Fingerkuppen der Rechten über den linken Handteller, als wolle sie, so jedenfalls schien es Brunetti, die Lebenslinie ausradieren. »Das ist alles, was man mir gesagt hat«, fuhr sie fort. »Keine Erklärung. Aber es hätte alles mögliche sein können. Vielleicht hat einer der anderen Insassen ihn umgebracht. Solche Fälle wurden immer vertuscht. Womöglich war's auch einer der Wärter. Oder vielleicht ist er an Typhus gestorben, wer weiß. Die Patienten wurden dort wie Tiere gehalten, sobald sie niemand mehr besuchen kam.« Sie ballte die Hände zu Fäusten und preßte sie fest auf die Oberschenkel.
    »Aber die Absprache mit den Richtern, was war damit?« fragte Brunetti.
    Sie lächelte und lachte dann sogar, fast als fände sie die Frage wirklich amüsant. »Also Sie sollten eigentlich wissen, daß man den Versprechungen eines Richters nicht trauen darf, Commissario!« Und als Brunetti keinen Einwand erhob, fuhr sie fort: »Zwei der Richter waren Kommunisten, die suchten einen Sündenbock. Der dritte war der Sohn des Parteiführers der Faschisten in Mestre und mußte folglich beweisen, daß er eine blütenreine Weste hatte und nicht im mindesten von den politischen Ansichten seines Vaters beeinflußt war.«
    »Und die Amnestie?« Brunetti dachte an den allgemeinen Dispens, den Togliatti gleich nach Kriegsende erlassen hatte und der Verbrechen, wie sie im Faschismus von der einen wie der anderen Seite begangen worden waren, unter Straffreiheit stellte. Wieso war ausgerechnet Guzzardi bestraft worden, während Tausende, die das gleiche oder gar weit Schlimmeres begangen hatten als er, frei ausgingen?
    »Die Richter erklärten, das Verbrechen sei auf Schweizer Territorium verübt worden«, antwortete sie schlicht. »Da galt keine Amnestie.«
    »Ich verstehe nicht?«
    »Na, die Residenz des Schweizer Konsuls. Sie sagten, das sei Schweizer Territorium.«
    »Aber das ist doch lächerlich!« rief Brunetti.
    »Nicht in den Augen der Richter. Und das Berufungsgericht bestätigte ihr Urteil. Juristisch habe ich alle Möglichkeiten ausgeschöpft.« Ihre Stimme klang jetzt trotzig und hatte jene Schärfe angenommen, die sich einstellt, wenn jemand etwas verteidigt, das eher seinem Glauben als den Tatsachen verpflichtet ist.
    Brunetti hatte von den Freunden seines Vaters genug über die

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