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Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima

Titel: Brunetti 11 - Die dunkle Stunde der Serenissima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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seiner Familie war auch nie darüber gesprochen worden, ob sein Vater jemals an all das geglaubt hatte. Er wußte weder, ob das einen Unterschied machte, noch, wenn ja, welchen; also wartete er einfach ab, wohl wissend, daß die Alten ihren Faden irgendwann von allein wiederfinden.
    »Er war ein schöner Mann.« Signora Jacobs wandte sich zur Anrichte und wies mit der Hand auf eine Zickzackreihe verblichener Fotos. Brunetti, der das als Aufforderung verstand, erhob sich, ging hinüber und betrachtete die Bilder. Das erste war ein Halbporträt eines jungen Mannes, dessen Kopf fast unter den Bersaglieri-Federn auf seinem Helm verschwand, ein Uniformschmuck, der dem erwachsenen Brunetti immer besonders lächerlich erschienen war. Auf anderen Fotos hielt derselbe junge Mann, dessen Körper zur Hälfte von einem langen dunklen Umhang verdeckt war, abwechselnd ein Gewehr oder ein Schwert; er posierte stets betont kriegerisch, mit vorgerecktem Kinn und hartem Blick, um den hehren patriotischen Moment zu verewigen. Auf Brunetti wirkten solche Posen ebenso albern wie der Federschmuck, die Ordensbänder und Epauletten an der Uniform des jungen Mannes. Er war generell so immun gegen jedes militärische Gepränge, daß er häufig der Versuchung erlag, Männer in Uniform im Geiste in neuguineische Stammeskrieger zu verwandeln: mit einem Knochen als Nasenzier, weißer Kriegsbemalung als Körperschmuck und einer meterlangen Bambusscheide über dem Penis. Kein Wunder, daß es ihm schwerfiel, bei offiziellen Zeremonien und Paraden den nötigen Ernst aufzubringen.
    Er betrachtete die Fotos so lange, wie es ihm der Pietät halber geboten schien, dann kehrte er auf seinen Platz zurück. »Erzählen Sie mir mehr von ihm, Signora.«
    Ihr Blick war direkt, wenn auch durch eine leichte Alterstrübung entschärft. »Was gibt's da zu erzählen? Wir waren jung, ich war verliebt, und die Zukunft gehörte uns.«
    Brunetti erlaubte sich, ihr intimes Geständnis aufzugreifen. »Nur Sie waren verliebt?«
    Ihr Lächeln war das eines alten Menschen, der mit fast allem abgeschlossen hat. »Ich sagte Ihnen doch: Er war ein schöner Mann. Solche Männer lieben letztendlich nur sich selbst.«
    Bevor er etwas entgegnen konnte, setzte sie hinzu: »Damals wußte ich das nicht. Oder wollte es nicht wissen.« Sie nahm sich eine Zigarette, zündete sie an, blies eine lange Rauchfahne aus und sagte: »Aber das läuft aufs gleiche hinaus, nicht wahr?« Sie drehte die brennende Zigarettenspitze zu sich hin, sah sie einen Moment lang an und fuhr dann fort: »Merkwürdigerweise hat aber auch dieses Wissen meiner Liebe zu ihm nichts anhaben können. Ja, ich liebe ihn immer noch.« Sie sah zu Brunetti auf, dann senkte sie den Blick in ihren Schoß und sagte ganz leise: »Darum möchte ich ihm seinen guten Namen zurückgeben.«
    Brunetti blieb stumm, wollte sie nicht unterbrechen. Offenbar spürte sie das und fuhr fort: »Es war alles so aufregend, das Gefühl oder die Hoffnung, nun bräche eine ganz neue Zeit an. In Osterreich hatte man seit Jahren davon geträumt, deshalb kam es mir nie in den Sinn, daran zu zweifeln. Und als ich diese Stimmung hier wiedertraf, bei Männern wie Luca und seinen Freunden, da konnte ich nicht erkennen, was dahintersteckte oder wie sie wirklich waren oder daß alles, was der Umsturz uns bringen würde, uns allen, auf Leid und Tod hinauslief.« Sie seufzte und sagte dann: »Auch Luca hat das nicht vorausgesehen.«
    Als er den Eindruck hatte, daß sie von allein nicht weitersprechen würde, fragte Brunetti: »Wie lange haben Sie ihn gekannt?«
    Sie überlegte und antwortete dann: »Sechs Jahre waren wir zusammen, also die ganzen letzten Kriegsjahre, bis hin zu seinem Prozeß, und dann...« Sie brach ab, und Brunetti war gespannt, wie sie das, was noch folgen mußte, formulieren würde. »Und bei dem, was danach kam« war alles, was sie schließlich sagte.
    »Sie haben ihn also auch in San Servolo besucht?«
    Sie räusperte sich, ein hohler, gurgelnder Laut, der Brunetti durch Mark und Bein ging, so unheilvoll klang er nach Siechtum und dunklen Säften. »Ja. Einmal die Woche fuhr ich hin, bis sie mich nicht mehr zu ihm ließen.« »Warum das?«
    »Ich denke, sie wollten nicht, daß jemand mitbekam, wie sie gehalten wurden.«
    »Aber warum der Sinneswandel? Ich meine, wenn Sie doch anfangs Besuchsrecht hatten«, erklärte Brunetti.
    »Weil sein Zustand sich dort rapide verschlechterte.
    Nachdem er begriffen hatte, daß er nicht wieder

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