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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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die dargebotene Hand und stellte sich seinerseits vor. »Ich weiß, das ist ein denkbar schlechter Zeitpunkt«, begann er und überlegte, wie er am besten mit ihr ins Gespräch käme. Ihre Haltung war starr und aufrecht, ja sie hielt sich so gerade, als ob sie den Rücken gegen eine Mauer stützte. Sie blickte ihm fest in die Augen.
    Als Brunetti über seine verlegene Einleitung nicht hinauskam, fragte sie nüchtern: »Nun, was wollen Sie wissen?«
    »Ich möchte mich bei Dottor Moro erkundigen, wie es um die geistige Verfassung seines Sohnes stand.«
    »Warum?« fragte sie scharf. Brunetti dachte, das läge doch auf der Hand. Um so mehr überraschte ihn die Heftigkeit, mit der sie ihm in die Parade gefahren war.
    »In einem Fall wie diesem«, begann er ausweichend, »hängt sehr viel davon ab, wie es dem Betreffenden ging, wie er sich benommen hat, ob es vielleicht Anzeichen -«
    »Anzeichen wofür?« fiel sie ihm ins Wort, ohne ihren Zorn oder ihre Verachtung zu verhehlen. »Daß er sich das Leben nehmen wollte?« Und bevor Brunetti darauf antworten konnte, fuhr sie fort: »Wenn Sie das meinen, dann sagen Sie's doch auch, um Himmels willen!« Wieder wartete sie seine Antwort nicht ab. »Aber der Gedanke ist absurd. Widerwärtig! Ernesto würde sich genausowenig umbringen wie ich mich. Der Junge war völlig normal, etwas anderes zu unterstellen ist einfach ungeheuerlich.« Sie schloß die Augen und rang mit zusammengepreßten Lippen um Selbstbeherrschung.
    Bevor Brunetti beteuern konnte, daß er rein gar nichts unterstellt habe, erschien Dottor Moro auf der Bildfläche.
    »Laß gut sein, Luisa«, meinte er begütigend. »Du sagst jetzt besser nichts mehr.«
    Brunetti hörte zwar, was der Mann sagte, achtete jedoch weiter auf das Gesicht der Frau. Sie löste sich aus ihrer starren Haltung und neigte sich ihrem Cousin entgegen. Ja, sie hob eine Hand in seine Richtung, machte indes keine Anstalten, ihn zu berühren. Statt dessen nickte sie einmal und wandte sich dann ab, als ob Brunetti Luft wäre. Der Commissario sah ihr nach, wie sie den Gang entlangschritt und durch eine Tür am Ende des Flurs verschwand.
    Als sie fort war, wandte Brunetti seine Aufmerksamkeit dem Doktor zu. In der kurzen Zeit seit ihrer letzten Begegnung schien Moro um Jahre gealtert. Sein Gesicht wirkte käsig, die Augen waren stumpf und vom Weinen gerötet; am deutlichsten aber sah man den Wandel in seiner Haltung, dem vornübergeneigten Rücken eines alten Mannes.
    »Verzeihen Sie, daß ich Sie in Ihrem Schmerz störe, Dottore«, begann Brunetti, »aber ich hoffe, wenn wir jetzt miteinander sprechen, brauche ich Sie nicht noch einmal zu belästigen.« So geschult er auch in taktischer Heuchelei war: Diese Entschuldigung klang selbst in seinen Ohren so gestelzt und weit hergeholt, daß sich unwillkürlich eine Kluft auftat zwischen ihm und dem trauernden Vater.
    Der Doktor fuhr mit der Hand durch die Luft, eine Geste, die man sowohl abweisend wie zustimmend deuten konnte. Dann schlang er die Arme um den Leib und neigte den Kopf.
    »Dottore«, fuhr Brunetti fort, »ist Ihnen in den letzten Tagen oder Wochen im Verhalten Ihres Sohnes irgend etwas Ungewöhnliches aufgefallen?« Moro hielt den Kopf gesenkt, so daß Brunetti ihm nicht in die Augen sehen konnte. Er wußte nicht einmal, ob der Arzt ihm zuhörte.
    Er setzte aufs neue an: »Dottore, ich weiß, wie schwer das für Sie sein muß, aber es ist wichtig, daß Sie meine Fragen beantworten.«
    Ohne aufzublicken, sagte Moro: »Das glaube ich nicht.«
    »Wie bitte?« fragte Brunetti.
    »Ich glaube nicht, daß Sie ermessen können, wie schwer es für mich ist.«
    Die schlichte Wahrheit ließ Brunetti vor Scham erröten. Als das Blut wieder aus seinen Wangen gewichen war, hatte Moro ihn immer noch keines Blickes gewürdigt. Nach einer Pause, die Brunetti quälend lang erschien, hob der Doktor endlich den Kopf. Seine Augen waren trocken, und seine Stimme klang so ruhig wie eingangs, als er mit seiner Cousine gesprochen hatte. »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie jetzt gehen würden, Commissario.« Brunetti wollte etwas einwenden, doch Moro kam ihm zuvor. Diesmal hob er die Stimme, aber sein Ton blieb gefaßt und unpersönlich. »Bitte lassen Sie uns nicht streiten. Ich kann Ihnen rein gar nichts sagen. Weder jetzt noch später.« Er löste die schützenden Arme vom Körper und ließ sie seitwärts niedersinken. »Wirklich, ich habe Ihnen nichts weiter zu sagen.«
    Brunetti war sicher, daß es

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